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Unternehmerinnen lernen zu klüngeln

Beim 1. Kölner Unternehmerinnentag stellten die Unternehmerinnen wieder fest, daß Netzwerke über Erfolg entscheiden. Der angebliche Widerspruch zwischen Kindern und Existenzgründung ist beseitigt  ■ Aus Köln Maike Rademaker

Das Lieblingsthema der Unternehmerinnen waren Beziehungen. Rund 60 der 200 Frauen, die am Samstag den 1. Kölner Unternehmerinnentag „Inside 99“ besuchten, drängten in das Forum „Klüngeln als Marketingstrategie“, eines von sechs zeitgleich angebotenen Foren und Seminaren. „Klüngeln“, definierte Coacherin Anita Hausladen, „ist ein anderes Wort für Vernetzung, Beziehungen nutzen. Überall, wo ich bin, kann ich klüngeln. Und es nimmt zu.“

Private und geschäftliche Kontakte für eigene Zwecke nutzen, können Männer offenbar immer noch besser als Frauen. Bestes Beispiel sind, laut Anita Hausladen, die Ministerposten der Regierung. „Die grünen Frauen dachten, erst wählen, dann Posten verteilen. Die waren aber längst vorher verklüngelt worden.“ Männer können alte Netzwerke zum Klüngeln nutzen, Frauen bauen diese Netzwerke erst auf. Anita Hausladen gab Tips: „Erzählen Sie sich nicht nur die Leidensgeschichten, fragen Sie Frauen nach ihren Erfolgen. Damit kann man klüngeln.“

Lernen wollten die Frauen auf der Inside 99 viel. Tips für den Unternehmensaufbau waren neben Klüngeln Hauptthema der Inside 99. Fachfrauen boten 18 Fachseminare zu E-Commerce, Steuerberatung, Tips zum Krisenmanagement, Altersversorgung und Verträgen an. Im Foyer speisten Frauen Wünsche nach Kooperation ins Internet (www.inside99.de) oder ließen sich zu Soft- und Hardware beraten. Kinderkriegen und gleichzeitig ein Unternehmen zu lenken, war übrigens kein Thema mehr.

Jedes dritte Unternehmen in Deutschland wird von einer Frau gegründet, rund eine Million selbständige Frauen und Unternehmerinnen gibt es. In Köln sollen es 6.000 bis 8.000 sein. Genaue Zahlen über Gründungen und Branchen gibt es kaum. „Die fehlenden Statistiken erschweren die politische Diskussion“, sagt Anita Wagner von „Schöne Aussichten“, dem Verband selbständiger Frauen. Ein Beispiel sind Teilzeitunternehmen: Sie fallen häufig als wirtschaftlich nicht tragfähig aus den öffentlichen Förderungen. Gleichzeitig starten gerade Frauen, meistens mit wenig Eigenkapital ausgestattet oder mit Familien, ebensolche Unternehmen. Politische Forderungen an diese Situation zu knüpfen, ist ohne Datenlage schwierig, ja „frauenfeindlich“, wie Wagner sagt.

„Frauen gründen anders“, sagte auch Britta Woywood von der Kommunalstelle Frau und Wirtschaft in Köln, die die Inside 99 mit „Schöne Aussichten“ organisiert hat. Frauen gründen vorsichtiger, in stark konkurrierenden Branchen wie Dienstleistungen und Heilberufen. Ihr Motiv ist weniger das Erwerbsstreben als die Unabhängigkeit oder der Existenzdruck.

Deutlich wurde auf der Inside 99, daß Unternehmerinnen mehr lokale, regionale und bundesweite Netzwerke gründen. Neben dem alteingesessenen Verband Deutscher Unternehmerinnen, gegründet 1954 mit heute 1.700 Mitfrauen, schlossen sich beispielsweise 1997 bundesweit Beraterinnen für Existenzgründungen zum „Deutschen Gründerinnen Forum“ zusammen.

Für Handwerkerinnen gibt es bisher kein Netzwerk. „Dafür fehlt die Zeit“, meint Schlossermeisterin Ingrid Lohmar, Leiterin eines Familienbetriebes mit acht Mitarbeitern. Dabei wäre ein Zusammenschluß wichtig. Wenn die Gartengestalterin weiß, welches Frauenunternehmen baut, kann sie dieses weiterempfehlen. Außerdem biete ein Netzwerk die Möglichkeit, sich untereinander auszusprechen. Die versammelten Handwerkerinnen starteten immerhin einen ersten Versuch für eine Netzwerkbildung.

Kontakte knüpfen wollte auch Jungunternehmerin Pamela Hertweck. Die 26jährige Mutter wird das väterliche Unternehmen zur Datenerfassung mit 120 Mitarbeitern übernehmen. Darauf bereitet sie sich neben der Mitarbeit im Betrieb mit einem Informatikstudium vor. „Natürlich kämpfe ich auch mit männlichen Vorurteilen. Die zweifeln meine Qualifikation an oder fragen, ob ich nicht überfordert bin.“ Beeindrucken läßt sie sich davon nicht. Hertweck wird von ihrem Vater unterstützt, aber: „Ich habe entschieden, daß ich das Unternehmen übernehme, nicht er.“ Mutter und Unternehmerin zu sein findet sie nicht problematisch. „Mein Mann ist angestellt, so ist bei einem die Zeit planbar.“

Beispiele für erfolgreiche Übernahmen und väterliche Unterstützung sind häufiger auf der Inside 99. „Vor 20 Jahren war das noch unüblich, aber Väter mutieren ja manchmal“, sagt Schlossermeisterin Lohmar. „Als die im Betrieb meine Fähigkeiten anzweifelten, brüllte mein Vater nur: Wenn Sie meiner Tochter das nicht zutrauen, können Sie gehen. Da war Ruhe.“

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