piwik no script img

■ Rosi Rolands Bremer GeschichtenKoalitionsstreitthemen gesucht

Anfang März, so wird erzählt, haben die beiden Spitzenkandidaten bei ihren turnusgemäßen koalitionären Vorbesprechungen den Versuch unternommen, sich auf ein richtiges Streitthema für den Wahlkampf zu verständigen. Nach den Osterferien, so ist die Absprache bisher, soll der heiße Wahlkampf beginnen. Aber was soll man da sagen? Was spricht, aus Sicht der SPD gegen die CDU? Was, aus Sicht der CDU gegen Henning Scherf?

Wenn Scherf erklärt, daß die erfolgreiche Politik der Großen Koalition eigentlich sozialdemokratische Handschrift trägt, und die CDU kontert, daß alles nur wegen der CDU so gut läuft, dann wird das die Wähler nicht recht motivieren. Als Perschau dies so vortrug, leuchtete es Henning Scherf spontan ein, wird erzählt, und dann überlegten beide, welches Thema sich denn für einen Streit eignen könnte. Doppelpaß, Ausländer, schlug Perschau vor. Aber für die SPD ist das in Hessen nicht so gut gelaufen, dachte Scherf, und warnte Perschau: Wie sieht das denn aus, wenn demnächst die NPD in Bremen vor Plakaten „Arbeitsplätze für Deutsche - wählt CDU“ demonstriert. Schon an diesem Wochenende will der Betriebsrat von Daimler Anti-NPD-Plakate bei dem Stand verteilen, an dem die CDU Unterschriften gegen den Doppelpaß sammelt, Henning habe seinen Freund Udo Richter nicht von dem Vorhaben abbringen können.

Perschau nickte. Aber Sozialhilfebetrug sei doch ein gutes Thema, schlug er dann vor: Die SPD hat die Riesenchance, sich als Lobby für die Ärmsten der Armen ... Scherf freute sich, daß Perschau das Wort „Riesenchance“ von ihm übernommen hatte, lehnte den Vorschlag aber ab. Unter den sozialdemokratischen Wählern gibt es mehr Neid als bei der CDU. Zu viele empfinden die Sozialhilfe im Verhältnis zu ihrem Lohn als zu hoch – und wie soll er verhindern, daß sich die SPD im Wahlkampf auf eine Erhöhung der Sozialhilfe festlegt?

Aber Büropark Oberneuland wäre doch ein Thema, konterte Scherf. Da nun will Perschau nicht in die Offensive gehen, denn das betrifft das Gebiet, in dem die CDU ihre Stimmen holt. Und das CDU-Klientel vor Ort zeigt sich doch sehr naturverbunden, wenn es von Bebauungsplänen betroffen ist.

Aber wie wäre es mit der Ökosteuer, schlug dann Perschau vor. Scherf war doch früher immer dafür gewesen. Scherf winkte ab, er habe doch dazugelernt.

Die beiden Spitzenkandidaten sollen die Abstimmung über den Wahlkampf dann vertagt haben, wird erzählt, die heiße Phase des Wahlkampfs sollte erst einmal ohne Thema beginnen.

Kann es wirklich sein, daß die beiden diese wichtige Frage ergebnislos beraten haben? Oder ist es vielleicht ein Gerücht, daß dieses Gespräch so stattgefunden hat, gezielt gestreut von verzweifelten Wahlkampf-Leitern? Beides ist denkbar. Aber wenn das Gespräch nicht so stattgefunden hat, dann sollten die beiden das schleunigst nachholen, findet

Ihre Rosi Roland

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen