: Küsse, so trocken wie Papier
■ Stationen einer lästigen Ehe: Dagmar Knöpfels Spielfilm „Requiem für eine romantische Frau“ versucht sich an der Rehabilitierung der armen Auguste Bußmann, geschiedene Brentano
Kindlers Literaturlexikon hat nicht viel für sie übrig: „Nach Sophies Tod (1806) aber setzte seine zweite Frau, Auguste Bußmann, Entführung, Hochzeit und die immerwährende Öffentlichkeit des Geschlechterkampfes in dieser Ehe wie einen albernen Roman in Szene“, heißt es im Eintrag über den Romantiker Clemens Brentano. Dem Mann die hohe Dichtkunst, der Frau den „albernen Roman“: Hierin folgt die Sicht der Literaturwissenschaftler Brentanos Selbsteinschätzung. Denn nach einer kurzen Zeit der Euphorie wurde die 17jährige Auguste Bußmann dem Dichter bald zur Last. Schon wenige Monate nach der Eheschließung im Herbst 1807 ist in einem seiner Briefe von einem „grundböse(n) Weib“ die Rede. Und der Eintrag in Kindlers Lexikon weiß, daß Brentano unter der „Banalität seiner Ehe-Hölle“ arg gelitten habe.
Dieser Sicht stellt sich „Requiem für eine romantische Frau“ von Dagmar Knöpfel entgegen. Der Film, der auf einem Treatment von Hans Magnus Enzensberger beruht, versucht sich an einer Rehabilitierung der Auguste Bußmann – und an der Frage, was denn geschieht, wenn man sich dem Ideal der romantischen Liebe mit Haut und Haar verschreibt statt nur auf dem Papier. Was in Shakespeares „Romeo und Julia“ aufscheint, wenn die Geliebte dem Geliebten zuflüstert, er küsse, als hätte er es aus Büchern, das wird in „Requiem für eine romantische Frau“ deutlich ausgesprochen: „Du verstehst überhaupt nicht, was lieben heißt“, hält Auguste dem teilnahmslosen Gatten vor, „nur schreiben kannst du darüber.“
Diese Diskrepanz bildet das Zentrum des Films, um das herum sich die Auseinandersetzungen und die Versöhnungen des unglückseligen Paars gruppieren – und auch seine Wanderungen durch die deutschen Fürstentümer. Denn Seßhaftigkeit ist keine Sache der Romantiker, und so geht es von Kassel über Landshut bald nach Heidelberg, Allendorf oder München. Die anfänglichen Szenen heftiger Leidenschaft werden schnell von einer dauerhaften Krise verdrängt; nur wenn Auguste sich den Anordnungen des Gatten fügt, lobt er: „Du bist doch eine liebe kleine Frau.“ Sonst nennt er sie „Klette“ und dichtet: „Treulieb ist verloren.“ Was wiederum Auguste nicht daran hindert, noch im tiefen Winter mit transparenten Stoffen zu locken. So viel Feuer scheint in ihrem Leib zu lodern, daß sie warme Kleidung nicht nötig hat. Die Kamera jedenfalls mag sich an dem halbentblößten Körper gar nicht sattsehen.
„Requiem für eine romantische Frau“ ist reich an Augenblicken der Zuspitzung, was einen stringenten dramaturgischen Aufbau eher blockiert denn fördert. Oft bauschen sich die Vorhänge im Wind, tobt der Sturm, werden dunkle Interieurs mit schimmernden Flächen und Lichtpunkten zum Chiaoscuro kombiniert. Besonders effektvoll gelingt dies in der Schlußsequenz, wenn Ruderboote über den nächtlichen Main gleiten und Fackeln sich im schwarzen Wasser spiegeln. Auguste hat sich ertränkt, die Bootsleute suchen ihre Leiche. Im Film ist's, als wären seit der Trennung von Brentano zwei Wochen verstrichen. In Wirklichkeit liegen aber zwischen Auguste Bußmanns Selbstmord und ihrer Scheidung von Brentano 18 Jahre und eine weitere Ehe mit mehreren Kindern. Cristina Nord
„Requiem für eine romantische Frau“. Buch und Regie: Dagmar Knöpfel. Mit Janina Sachau, Sylvester Groth, Jeanette Hain u.a. D 1998, 99 Min.
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