■ Cash & Crash: Alles nur eine spekulative Blase?
Berlin (taz) – An der New Yorker Wall Street wird es Zeit, sich auf den Kater vorzubereiten, meint zumindest das Wall Street Journal. Denn ein Dow Jones über 10.000 Punkte – das könne auf Dauer nicht gutgehen. Ging es zumindest zu Beginn dieser Woche auch nicht. Die 10.000er-Grenze erweist sich als durchlässig in beide Richtungen. Nachdem sie vor genau einer Woche erstmals durchbrochen wurde, oszillierte der Index der 30 größten US- Werte immer wieder um diese Linie. Am Montag dann schloß der Dow Jones erstmals wieder unter dem magischen Wert, bei 9.890 Punkten.
Das Gerede von der „spekulativen Blase“, die früher oder später platzen müsse, lebte wieder auf. Weniger pessimistische Investment-Profis wollen nicht gleich von einem bevorstehenden Crash reden. Doch viele bezweifeln, ob sich das Kursfeuerwerk des vergangenen Jahrzehnts fortsetzen wird.
Immerhin: Noch liegt der aktuelle Dow-Jones-Wert acht Prozent höher als zu Jahresbeginn. Aber um viel mehr dürften die Aktienkurse dieses Jahr nicht mehr steigen, vermutet zum Beispiel Edward Kerscher von der Investment-Bank Paine Webber – jedenfalls nicht ohne deutliche Zinssenkungen oder Steigerung der Unternehmensgewinne. Die Gewinne der 500 US-Firmen aus dem Standard & Poor's 500-Index sind 1998 durchschnittlich um schlappe 3,7 Prozent gestiegen.
Dividenden sind mit durchschnittlich 1,5 Prozent viel niedriger als in vergangenen Jahrzehnten, rechnet das Wall Street Journal vor, und die Zuwächse bei den Unternehmensgewinnen beschleunigen sich nicht mehr. Woher sollte da noch der Spielraum für die bisherigen Wachstumsraten kommen? Die Bank Boston hat zum Beispiel ausgerechnet, daß nur 20 Prozent des Aktienkurswachstums durch wachsende Profite bei den Unternehmen zu erklären sind. 80 Prozent sind purer Optimismus der Anleger.
Tatsächlich sind es nur wenige Papiere, die in den letzten Wochen noch Kurssteigerungen verzeichneten. Viele Investoren scheinen nicht mehr unkritisch an ewiges Aktienwachstum zu glauben, sondern setzen selektiv auf die chancenreichsten Unternehmen. Kleinere und unbekannte Titel werden schon jetzt abgestoßen: Zwei Drittel der Aktien in dem sehr breiten Russel-2000-Index sind um mehr als 20 Prozent unter ihren Höchststand von 1998 gefallen.
Das heißt mitnichten, daß ein Crash bevorsteht. Denn gegen fallende Kurse spricht, daß die ganze Generation der amerikanischen Baby-Boomer zwecks Sicherung ihrer Renten Geld in Investmentfonds pumpt. Es bedeutet aber, daß es schwieriger wird, diejenigen Aktien zu erwischen, die wirklich noch steigende Kurse bieten. lieb
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