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■ H.G. HolleinFürs Herz

Die Frau, mit der ich lebe, fühlt sich manchmal literarisch unterfordert. Dagegen habe ich jetzt etwas. Den „Lancio-Egmont-Fotoroman“. Auf satten 66 Seiten „erlesen Sie träumerische Stunden“ in „Bildergeschichten der Liebe“. Die gehen ungefähr so: Junges Mädchen (Francesca Filone) rettet sich vor Drogenhändlern in einsame Villa. Dort lebt er (Michele Trentini) – „eisiger Blick, ein Mund, der unfähig scheint, jemals ein Lächeln ausdrücken zu können“. Sie (denkt): „Noch nie gefiel mir ein Mann so gut.“ Einige Fotos später: Sie sehen sich stumm in die Augen. Nur der Song von Pink Floyd durchbricht das Schweigen. Dann er: „Gute Nacht, Lisa.“ Ein kaum merkliches Lächeln. Ein kleiner Riß in seinem Schutzschild. Sie (denkt wieder): „Wieviel Herz steckt unter deinem schützenden Panzer, Viktor?“ Viele Fotos später: Sie – ihn an der Schreibmaschine sehend: „Sie schreiben?“ Er: „Ja.“ Sie: „Sie sind also Schriftsteller?“ Er: „Brillante Schlußfolgerung.“ Sie: „Wie sarkastisch.“ Noch viel mehr Fotos später. Er, als würde ihn jedes Wort eine große Überwindung kosten: „Ich war ein Komet auf dem Himmel der neuen Schriftstellergeneration. Ich wollte alles auskosten.“ Sie (ahnungsvoll): „Du hattest Sex ohne Schutz?“ Er (sarkastisch-bitter): „Götter müssen sich doch nicht um so was kümmern.“ Sie (ergriffen): „Schrecklich.“ Er (gefaßt): „Wenn du mich wirklich liebst, mußt du mich alleine sterben lassen.“ Sie (erschüttert): „Ich...“ Nächste Seite (66): Sie steht vor dem eisernen Tor und blickt zur Villa. Stundenlang. Er (am Fenster) lächelt nicht. Winkt nicht. Und noch einmal sie (durch das Gitter blickend): In den Augen eine Flut von Tränen, Tränen einer verzweifelten Liebe. Ende. Das sollte selbst das harte Herz der Gefährtin rühren. Deshalb habe ich am Kiosk gleich noch einmal zugelangt. Als Zugabe gibt's: „Wahre Liebe“ mit Alessia d'Emidio und Paolo Pasqualini: „Zum ersten Mal kreuzen sich ihre Blicke...“

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