: Behörden im Sparwahn
■ Seit einem Jahr versucht Bremens Senatskommission für das Personalwesen, die „Reisedienstleistungen“ an ein Reisebüro zu vergeben – bisher vergebens.
Genau ein Jahr lang hat die Senatskommission für das Personalwesen (SKP) des nach Wiesbaden aufsteigenden Staatsrates Johannes Beermann gearbeitet und heute, ausgerechnet an seinem letzten Arbeitstag in Bremen, soll alles in den Papierkorb fliegen! „Ausschreibung extern buchbarer Dienstreiseleistungen“ ist die offizielle Bezeichnung des Problems, und zur Lösung sollte die Senatskommission ein privates Reisebüro finden, das alles viel preiswerter machen könnte.
So hatte der Senat am 31. März 1998 eine europaweite Ausschreibung beschlossen. Um das recht bittere Ende vorwegzunehmen: Das, was unter Staatsrat Beermann ausgeschrieben wurde, können Reisebüros kaum billiger machen, und das, was sie vielleicht preiswerter machen können, ließ Beermann nicht ausschreiben, und überhaupt kam bei der Ausschreibung heraus, daß das „Deutsche Reisebüro“ (DER) mit Sitz in Frankfurt am preiswertesten war; Bremens Wirtschaftsförderer faßten sich an den Kopf, als sie das hörten: Kann sich ein Staatsrat nicht denken, daß ein Bremer Reisebüro die Ausschreibung gewinnen muß, in diesem Falle rein zufällig Hapag Lloyd!?
So wird der Senat heute beschließen, die in dem Jahr Arbeit angeschwollene Akte in den Papierkorb zu befördern und die ganze Ausschreibung zu wiederholen. Im Bauressort hatte man den Ärger um die Sache überhaupt nicht ganz verstanden. Etwa 70.000 Mark Volumen hat der Reisekosten-Etat im Jahr, viele haben die Bahncard, sonst gibt es 17,5 Prozent Großkunden-Abo. Wo soll da viel einzusparen sein? Beim Sozialressort gibt es ein sehr viel höheres Reisekosten-Budget, dafür 20 Prozent Großkunden-Rabatt. Der intern ausgerechneter Einspareffekt im Jahr beträgt 2.700 Mark.
Wenn dafür aber die Tickets, die vom Amt für soziale Dienste in Bremen-Nord geordert werden, bei einem Reisebüro am Lloyd-Hof abgeholt werden müssen, dann lohnt sich das nicht mehr, gibt der Haushälter im Sozialressort zu bedenken. Zentralisierung dieser Reise-Buchungen schafft neue Bürokratie. Insgesamt könnte man bei der Zentralisierung aber 138.000 Mark im Jahr sparen, eben wenn das günstigste Angebot der Frankfurter DER genommen wird, steht in der Beschlußvorlage für den Senat am 16. März.
Am 16. März vertagte die Landesregierung aber das wichtige Thema. Die offizielle Begründung war nicht, daß das falsche Reiseunternehmen den Zuschlag nicht bekommen sollte, sondern eine andere: In der neuen Ausschreibung soll auch die Abrechnung der Reisen „privatisiert“ werden.
Daß das dazugehört, hatte der Senat eigentlich schon im März 1998 beschlossen, aber es war eben nicht ausgeschrieben worden. Nun werden also wieder europaweit Reisebüros zur Abgabe von Angeboten aufgefordert. Eine Einsparung wird das dann aber erst bringen, wenn die Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst, die derzeit die Reisekostenabrechnung machen, nicht mehr bezahlt werden müssen. Dann werden also – vermutlich im Jahre 2000 – hochbezahlte Beamte des Öffentlichen Dienstes die aus ganz Europa eingehenden Angebote nach einem komplizierten Schlüssel auswerten und feststellen, daß nur solche eine Chance haben, die in Bremen in fußläufiger Entfernung zu den Behörden ein Geschäft unterhalten und – wetten? – zu dem total überraschenden Ergebnis kommen, daß das Bremer Angebot von Hapag Lloyd ganz einfach das Beste ist.
K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen