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Die UÇK lehnt eine Teilung des Kosovo ab

■ Die Spekulationen über die Zukunft der serbischen Provinz werden auch vom britischen Außenminister zurückgewiesen – ähnlich wie in Bosnien. Doch dort kam alles ganz anders

„Eine Teilung des Kosovo werden wir niemals akzeptieren, unter gar keinen Umständen.“ Billal Sherifi, Mitglied der kosovo-albanischen Delegation bei den Konferenzen von Rambouillet und Paris, ließ gestern mittag gegenüber der taz in Genf keine Zweifel an dieser „unerschütterlichen Position“ der Befreiungsarmee des Kosovo (UÇK). Anlaß für die Frage an den UÇK-Vertreter waren Hinweise und Spekulationen aus Moskau, wonach die „konkreten Vorschläge“, mit denen Premierminister Jewgeni Primakow gestern zu einem Treffen mit dem restjugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević nach Belgrad reiste, unter anderem eine Teilung des Kosovo zwischen Serben und Albanern vorsehen.

Bereits die geographischen Linien, entlang derer die serbischen Armee- und Polizeikräfte im Kosovo im November 1997 erheblich verstärkt wurden, erregten damals den Verdacht, Milošević strebe – zumindest als eine mögliche Option – die Teilung des Landes an. Die Muster der Vertreibung der albanischen Bevölkerung durch die serbischen Armee- und Polizeikräfte seit Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen im Frühjahr 1998 und insbesonders seit Beginn der Nato-Luftangriffe am Mittwoch letzter Woche lassen die mögliche Teilungslinie erkennen.

Bei Serbien verbleiben würde ein Drittel bis die Hälfte des Kosovo-Territoriums: die beiden Regionen nordwestlich sowie südöstlich der Provinzhauptstadt Priština, die von allen Gebieten des Kosovo die stärkste Konzentration serbischer Bevölkerung haben und beide an das restliche Serbien angrenzen; sowie die an Bodenschätzen reiche Region nördlich Prištinas. Der Rest bliebe den Albanern für einen eigenen Staat bzw. zur Annexion an Albanien oder Makedonien.

So entschieden in der Ablehnung jeglicher Teilungspläne wie UÇK-Vertreter Sherifi äußerte sich gestern auch der britische Außenminister Robin Cook auf einer Pressekonferenz: „Für uns kommt ausschließlich eine Lösung des Kosovo-Konflikts in Frage, unter der alle Flüchtlinge und Vertriebenen frei und sicher an ihre Wohnorte im gesamten Territorium des Kosovo zurückkehren können.“ Der Westen werde nicht einmal „einen Waffenstillstand akzeptieren, bei dem Teile des Kosovo unter serbischer Kontrolle verbleiben“, betonte Cook. „Wir haben nicht die Apartheid in Südafrika überwunden, um jetzt eine neue Apartheid mitten in Europa zu akzeptieren.“

Ähnlich starke Worte waren von westlichen Politikern auch während des dreieinhalbjährigen Vertreibungskrieges und des Völkermordes in Bosnien-Herzegowina immer wieder zu hören. Doch im Juli 1995 vertrieben die bosnischen Serben, unterstützt von der Armee Serbiens, rund 100.000 Muslime aus den ostbosnischen UN-Schutzzonen Srebrenica und Žepa. Die Regierungen in Washington, Paris und Bonn unternahmen damals nichts, um die Vertreibung und den anschließenden Mord an 7.076 Muslimen in Srebrenica zu verhindern. Im August vertrieb die kroatische Armee mit politischer Billigung und logistisch-militärischer Unterstützung aus Bonn und Washington rund 150.000 Serben aus der kroatischen Krajina-Region.

Mit den Vertreibungen des Sommers 1995 wurden in Bosnien zwei ethnisch weitgehend homogene Großregionen geschaffen und Kroatien bis auf wenige tausend Serben in Ostslawonien zu einem fast ethnisch reinen Staat. Damit war der Boden bereitet für das Dayton-Abkommen vom Dezember 1995. In diesem Abkommen wurde allen Flüchtlingen und Vertriebenen zwar die Rückkehr in ihre Vorkriegswohnorte garantiert. Doch die internationale Gemeinschaft tat wenig, um diese Garantien durchzusetzen. Bis heute, über drei Jahre später, konnten erst weniger als ein Drittel der rund drei Millionen Flüchtlinge und intern Vertriebenen des Bosnienkrieges in ihre Wohnorte zurückkehren. Eine Rückkehr der Serben in die Krajina wurde von der Regierung Tudjman in Zagreb – trotz zahlreicher Versprechen an die EU und die UNO – bis heute fast vollständig verhindert. Statt dessen betreibt die Regierung, wie ein kürzlich erschienener Bericht der OSZE feststellt, in Ostslawonien eine „ethnische Säuberung mit administrativen Mitteln“ zwecks vollständiger Vertreibung der dort noch lebenden Serben. Andreas Zumach, Genf

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