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Der gekaperte Kobold

■ Mit seinem 3D-Pumuckl wollte das ZDF sich sehen lassen. Aber der verliert sich im Animationsgewurschtel ("Typisch Ed!", Fr., 17.20 Uhr)

Das ZDF hat echt Humor: Während die halbe Welt trauert, weil vor 2.000 Jahren im Nahen Osten ein Mann öffentlich hingerichtet wurde, haben die ZDF-Programmstrategen die Karfreitagskomödie erfunden. Das ist wirklich originell. Und daß die angeblich so „kleine, unkomplizierte, unterhaltsame, fröhliche Familiengeschichte mit Kobold“ nun ausgerechnet für einen Trauerfeiertag, an dem deutsche Christenmenschen in Kampfflugzeugen über den Kosovo düsen, den Satz „Der wacht ja nicht mal auf, wenn hier 'n Düsenjäger abstürzen würde!“ ins Drehbuch geschrieben bekommen hatte, ist wirklich Pech ...

Wer jetzt dennoch „Hurra, hurra,/ der Kobold mit dem roten Haar!“ rufen möchte, sei gewarnt: Dieser Pumuckl ist blond. Und während die gute alte ARD-Serie schon im Titelsong („Am liebsten macht er Schabernack / Leute ärgern nicht zu knapp / Schwupps, schon ist die Feile weg / Wer hat die wohl weggesteckt?“) nichts weiter als liebenswürdig-zweidimensionale Anarchie ankündigte, hat der Zweite Deutsche Fernsehkobold fürs bloße Werkzeugversteckeln keinen Sinn.

Statt dessen sieht das Märchen von Ed, dem computeranimierten Pumuckl-Update, ganz so aus, als sei dem ZDF vor lauter selbstvergessenem 3D-Gewurschtel ganz entfallen, daß ein Anderthalbstundenfilm gemeinhin auch eine Geschichte zu erzählen weiß. Und die geht diesmal so: Ed ist Kobold, heißt eigentlich Eduard von Meisenfeld und wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts von der Koboldkommission in einen Jahrhundertschlaf (straf-)versetzt, weil er irgendjemandes „Kondom in einen Piranha verwandelt“ habe. Das ist die Vorgeschichte. Wiedererwacht bringt er alsdann mit allerlei unausgegorenen Kapriolen den ebenso seifenopernhaft wie hektisch gefilmten Alltag einer Durchschnittsfamily ins Wanken, verwandelt Freunde der Familie in Steine, fälscht Führerscheine und beschimpft Polizisten, während sich der Zuschauer die Zusammenhänge zusammenzureimen muß und dieser dickärschig-kulleräugige PVC-Schuljunge mit Hasenscharte herumwitzelt wie ein not- oder altersgeiler Junggeselle: „Ich hab' jetzt hundert Jahre geschlafen, da erwachen auch noch andere Bedürfnisse ...“, läßt er beispielsweise die minderjährige Tochter des Hauses wissen und kreist dabei unzweideutig mit den Koboldhüften – was beim besten Willen irgendwie sehr widerlich mitanzusehen ist.

Und weil fürs Motion-Capturing des 3D-Kobolds (ein technisches Verfahren, bei dem der animierte Wicht eigentlich nur nachschlenkert, was ein Mensch dem Computer vorgehampelt hat) ausgerechnet eine Pantomimin gecastet wurde, hüpft der Zwerg darüber hinaus stolze 265 Einstellungen lang – „was einer Gesamtlänge von 1.166,32 Sekunden oder 19,44 Minuten oder 38 Gigabyte entspricht“ (ZDF) – mit der tuntigen Anmut eines Kindergeburtstagsclowns durchs Bild.

So ist „typisch Ed!“, obwohl es auch schöne Momente gibt – etwa, wenn der Kerl versehentlich und unvermittelt ein rosa Duracell- Häschen herbeizaubert – doch nur eine 83minütige High-Tech-Präsentation geworden, die sich, so das ZDF, „sogar international sehen lassen“ könne (und will).

Wers glaubt, kann ja mal am 15. Juni Vox einschalten, wenn dort das US-Serienhighlight „Ally McBeal“ erstmalig die längst legendär gewordene dancing baby- Animation in Folge 12 schummelt, und sich vom vom Gegenteil überzeugen. Christoph Schultheis

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