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"Teure Wohnungen schrecken nicht"

■ Der Zuzug der Beamten aus Bonn naht. Ein Gespräch mit Christa Fluhr, Sprecherin des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, über die Erwartungen der Bonner an ihre neue Heimatstadt

taz: Es sind noch wenige Wochen bis zum Umzug der Regierung. Haben sich die Bonner Zuzügler schon häuslich eingerichtet?

Christa Fluhr: Die wenigsten. Ich bekomme immer noch fast täglich Post von Wohnungssuchenden. Manchmal schicken ganze Abteilungen die Bewerbungen ihrer Mitarbeiter im Paket los. Zum Teil sind die Erwartungen absurd: Sie kümmern sich erst jetzt um den Umzug und möchten am liebsten gleich übermorgen eine Wohnung besichtigen.

Und was soll das für eine sein?

Das reicht von der möblierten Einzimmerwohnung bis zur 200-Quadratmeter-Bleibe...

... für große Familien?

O nein. Es gibt auch Einzelpersonen, die soviel Platz brauchen. Einer hat mir einmal gesagt, unter vier Zimmern ginge es wirklich nicht – schließlich habe er in Bonn sechs Zimmer für sich gehabt. Generell sind die Zuziehenden allerdings bereit, für ihre Wünsche zu bezahlen. Der Berliner wohnt gerne preiswert, den Bonner kann es kaum schrecken, wenn er für eine Dreizimmerwohnung 1.800 Mark zahlen muß.

Da kann es nicht allzuschwer sein, eine passende Wohnung zu vermitteln. Der Berliner Wohnungsmarkt ist doch entspannt.

Aber wir haben in der Stadt einen Engpaß bei sehr großen Wohnungen. Zudem sind die Ansprüche der Zuzügler zum Teil sehr konkret – bis zur gewünschten Etage und der Richtung, in die der Balkon liegen soll. Wohnungen, die nicht tipptopp renoviert sind, lassen sich praktisch nicht vermitteln. Auch nicht, wenn sie konkurrenzlos günstig sind. Ich hatte zum Beispiel im Angebot: wunderschöne Altbauwohnungen in Neu- Westend für elf Mark pro Quadratmeter. Allerdings hätte investiert werden müssen, etwa das Bad renovieren. Keine Chance. Auch die Vermittlung von Wohnungen im Ostteil der Stadt ist sehr schwierig. Da assoziieren viele Plattenbauten. Die Wohnungswünsche konzentrieren sich auf ein paar Bezirke, vor allem auf Steglitz, Wilmersdorf, Zehlendorf und Charlottenburg. Und auf Mitte, wegen der Regierungsnähe.

Wie wichtig ist die Verkehrsanbindung?

Sicher, das zählt. Aber noch wichtiger scheint zu sein, daß in unmittelbarer Nähe ein Schwimmbad ist. Und eine Schule, an der es möglichst keine Gewalt und am besten keine Ausländer gibt.

Dann läge es doch nahe, ins Umland zu ziehen ...

Das tun manche, vor allem Familien mit Kindern. Die meisten aber möchten in der Nähe ihres Ministeriums wohnen.

Läßt sich denn absehen, wie viele pendeln werden?

Vermutlich etwa die Hälfte. Aber dauerhaft werden sich wohl auch sie in Berlin niederlassen.

Können Sie die Leute rechtzeitig unterbringen?

Ich rate vielen inzwischen, sich übergangsweise ein möbliertes Appartement zu suchen. Es ist schwer, in einer fremden Stadt so eine wichtige Entscheidung wie die Wahl einer Wohnung zu treffen.

In der Hoffnung, daß mit der Zeit die Ansprüche sinken?

Es gibt kein familiengerechtes Wohnen in direkter Nachbarschaft eines Ministeriums. Berlin ist eine Großstadt. Da gibt es viel Lärm und Verkehr. Wer dem entgehen will, muß in die Peripherie. Interview: Jeannette Goddar

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