Selbst in Bremen hat's Partys/Teil 2: Hell On Wheels
■ Wahnsinnslichtshow und Häckeldecke bei der „Biker Rock Nacht“ im Aladin
Okay Alter, die ganze Kiste fing so an: Der Frühling dröhnt in mein Fenster, ich wach auf und denk: Bockwetter!
Also kram ich die Kutte ausm Schrank, weißt doch, die mitm LIVE FREE OR DIE-Aufnäher, rein in die Garage, da seh ich doch, daß mein Auspuff durchgegammelt is. Scheiße. Aber egal, ich schmeiß die Flex an und säbel das Verbindungsrohr zwischen den Endpötten einfach ab, niäääääärc, ab auffe Halde, unnötiges Gewicht gespart. Klingt außerdem viel geiler, fuck for TÜV, is eh seit acht Monaten abgelaufen.
Okay, ich schmeiß den Hobel an und – Alter! – die Schüssel ballert los wien verfickter Düsenbomber. Geil. Ich schigger bei meiner Alten vorbei und sach: Hey Baby, sieh zu, daßde deinen Arsch aufn Sozius schwingst, wir fahrn jezz rocken, im Aladin is Biker Rock Nacht. Sie voll begeistert und so, klammert sich an mir fest, während wir aufm Hinterrad durch die Osterglocken im Vorgarten bügeln. I'm a cowboy, an a steelhorse I ride ... lasses dir gesacht sein, Alter, die Endurofahrer sind die Härtesten. Dreck am Kotflügel und Fliegen inner Fresse, so sieht das aus.
Gut, wir kommen da beim Aladin an, ich stell die Mähre aufn Seitenständer und zieh mir ersma die andern Böcke da rein: Yamaha, Suzi, Honda, Kawa ... ich werd nich mehr, ne Kawa KZ 1300, sechs Pötte in Reihe, der Größenwahn der späten Siebziger! ... und ne zwölfhunderter Bandit, Schriftzug aufm Heck: THE DEVIL INSIDE. Der Macker gefällt mir. Naja, alles Japsen, bis auf ne Triumph und ne BMW, nix mit Harley, Barbara, keine Spur von den ölrotzenden Hobeln aus Milwaukee.
Okay, wir stiefeln rein in den Laden, sofort wabert uns der gute alte Schweinemetal in die Gehörgänge, Brian Johnson brüllt THUNDER!, während Angus die Griffel übern Gitarrenhals wetzen läßt. Ich bestell ersma zwei Schoppen Ballerbrühe, meine Alte sprintet auffe Tanzfläche und macht ne Runde Nackengymnastik.
Die Brüder und Schwestern, die nich am abmoshen sind, lehnen an irgendwelchen Säulen und quatschen Benzin: Du, ich hab jezz ne Devil 4-in-1 drunter, hört sich verboten an, das Teil! – Ach ja? Ich hab bei meiner Fireblade die Schalldämpfer ausgebaut, hört sich nich nur verboten an, isses auch! – und dann gehnse ma eben zum Soundcheck vor die Tür, weißt ja, wie das is. Meine Alte kommt gar nich mehr ausm Zappeln raus, ich mach die beiden Buddeln auf ex nieder und leiste ihr Gesellschaft, mittlerweile geben die Jungs von Judas Priest den Turbo Lover.
Na ja, und wie ich da so breitbeinig auffe Tanzfläche steh und die Haare fliegen laß, da fällt mir ein, daß ich ja nich zum Vergnügen hier bin. Also geh ich ma eben den DJ ausfragen. Ich stiefel da hoch und stell fest, daß es zwei DJs und einen LJ gibt, der da die Wahnsinns-Lichtanlage mit Laser und Strobo und haste nich gesehn koordiniert. Die drei Brüder hocken zwischen fünf Dutzend Computern und sind so damit beschäftigt, die Kisten mit Infos vollzutippen, daß se nich ma'n vernünftiges Intaview geben können.
Deswegen bin ich gleich zum Chef gestratzt, der residiert da backstage in sonem Hinterzimmer und heißt Natz. Er sacht zu mir: Hey Alter, setz dich doch, fährste auch Bock oder was, und ich sach: Na klar Mann! und pflanz mich aufs schwarze Ledersofa hinterm Tisch midder bunten Häkeldecke drauf. Wir ham Pech mitm Wetter, das is viel zu gut, sacht Natz, alles, wasn Bock hat, fährt anne Küste oder so, sonst is der Laden hier voller. Ja, sach ich, kann man verstehn, erstes Wochenende geiles Wetter, normal muß man da Asphalt unterm Arsch ham. Aber hier is auch nich verkehrt, sach ich so, von wegen höflich sein und alles.
Ja Mann, sacht Natz, das isn richtich geiler Rock'n'Roll-Laden hier, habbich vor 22 Jahrn original eigenhändich zusammengebraten, die Hütte. Aber wennde ma was wirrrklich Geiles sehn willst, dann zieh dir gleich die Performance auffer Bühne rein, nackte Weiber und fünf Meter hohe Flammen und so, das schockt! Okay, sach ich, wird gemacht, besten Dank fürs Intaview, Chef! Der Natz isn echt korrekter Macker, denk ich so und geh mir ersma Running Free von Maiden wünschen, stattdessen spieln die Brüder The Number of the Beast, auch nich verkehrt, woe to you, o earth and sea, for the Devil sends the Beast with wrath ... und dann fängt da die Performance an, nackte Weiber und fünf Meter hohe Flammen, und ich bestell mir und meiner Alten nochn Schoppen Ballerbrühe und freu mich, daß ich heute nich annen Strand gefahrn bin. Tim Ingold
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