piwik no script img

Angst erzeugt Druck – Angst festigt die Macht

■  Peter Boppel, Psychotherapeut und Mitglied von amnesty international, über manipulierte Fernsehauftritte von politischen Gegnern und Gefangenen: „Ein Indiz ist, wenn die Person sehr starr wirkt“

Im Fernsehen waren in den vergangenen Wochen merkwürdige Bilder zu sehen: Ein von den jugoslawischen Militärs verhafteter Mitarbeiter der Hilfsorganisation Care bezichtigte sich im serbischen Staatsfernsehen selbst der Spionage. Der Albanerführer Ibrahim Rugova wurde lächelnd im Gespräch mit dem serbischen Staatschef Miloevic gezeigt und forderte angeblich das Ende der Nato-Angriffe. Gestern traf sich der unter Hausarrest stehende Rugova in Belgrad mit dem serbischen Präsidenten Milan Milutinovic. In Erinnerung sind auch noch die Bilder des verhafteten Kurdenführers Öcalan, der den Türken bereitwillig seine Zusammenarbeit anbot. Der Psychotherapeut Peter Boppel aus Warburg in Nordrhein-Westfalen war bis 1998 Referent für das Thema „Mißbrauch der Psychologie“ bei amnesty international.

taz: Wie kann man einen politischen Gegner oder Gefangenen dazu bringen, vor laufenden Kameras etwas ganz anderes zu sagen, als seine Anhänger oder Angehörigen von ihm erwarten?

Peter Boppel: Wenn der Care-Mitarbeiter etwas zugibt, was konträr zur Wahrheit ist, dann könnte dieser Mann einen massiven Schockzustand erlitten haben. Das heißt, man muß davon ausgehen, daß er Greuel mit angesehen hat und auf keinen Fall selbst in eine solche Situation kommen will. Vielleicht ist er ohnehin schon überfordert in seinen seelischen Möglichkeiten, Kriegsgreuel zu verarbeiten. Wenn man ihn dann beispielsweise in eine Lage bringt, wo er isoliert ist, oder man verhindert, daß er schläft, dann kommt er in eine Situation, wo er nur noch hinaus will. Man sagt ihm dann: Wenn du das und das angibst, kommst du raus. Dann macht er das.

Woran erkennen Fernsehzuschauer, daß der Mann unter starkem Druck stand? Der Care-Mitarbeiter wurde nur im Profil gezeigt, aus einem Abstand heraus, sind das Indizien einer Manipulation?

Ein Indiz ist, wenn die Person sehr starr wirkt. Die Versteinerung fällt am ehesten auf, die Sprechweise ist monoton, die Leute gukken anders, unlebendig.

Offenbar gibt es aber auch sanftere Manipulationsmöglichkeiten. Das serbische Staatsfernsehen zeigte den Albanerführer Rugova im Gespräch mit dem jugoslawischen Präsidenten Miloevic. Er sprach sich für eine politische Lösung des Konflikts im Kosovo aus. Kurz zuvor hatte er noch den Einsatz von Bodentruppen gefordert.

Rugova steht in Pritina unter Hausarrest, zusammen mit seiner Familie. Besonders dieser Punkt ist sehr wichtig. Die Angst, daß der Familie etwas geschehen könnte, erzeugt einen enormen Druck. Und dann gibt es die kleinen Drohgebärden. Da stößt ihm vielleicht einer der serbischen Soldaten mal den Gewehrlauf in den Rücken, dann werden die Dinger entsichert. Rugova ist auf dem Weg nach Belgrad sicher einem ständigen Druck ausgesetzt gewesen.

Wo verlaufen denn die Grenzen von gewalttätiger und sanfter Manipulation?

Die sind fließend. Es gibt natürlich auch den Opportunismus, es gibt die Bestechung, und es gibt die Überlebensgarantie. Im Fall Rugova macht man ihm vielleicht auch Angebote: Hör zu, wenn du das und das so machst, dann lassen wir dich und deine Familie ausreisen. Welche Rolle solche Angebote spielen, kann man von den Fernsehbildern her nicht beurteilen. Eine solche Manipulation wird nicht sichtbar.

Mit Fernsehbildern selbst kann auch heftig manipuliert werden. Rugova hat ja tatsächlich bei Miloevic gesagt, er ist für eine politische Lösung des Konflikts. Damit meinte er aber die serbische Unterschrift unter den Vertrag von Rambouillet. Im Fernsehen erschien dies so wie eine Veurteilung der Nato-Angriffe. Wie wirkt eine solche vermeintliche Kehrtwende auf seine Anhänger?

Die Führer haben eine Symbolwirkung. Wenn ich diesen Führer öffentlich demütige, wankt das ganze Machtgebilde. Das ist eine Kränkung und tiefe Verunsicherung, denn der Führer erscheint praktisch als Verräter. Und das ist immer das Schlimmste gewesen.

Stichwort Verräter: Als der Kurdenführer Öcalan im türkischen Fernsehen gezeigt wurde und den türkischen Behörden seine Zusammenarbeit anbot, wirkte er wie unter starkem Drogeneinfluß .

Bei Politikern muß man sich erst mal klarmachen, daß sie oft gar nicht die starke Persönlichkeit sind, als die sie in der Öffentlichkeit erscheinen. Die ganze Machtkonstellation vieler politischer Führer beruht ja auf einem aufgeblasenen Narzißmus. Wenn man denen die Präsidialgarde wegnimmt, ist oft nur noch wenig da. Die können in Drucksituationen, in Isolationshaft unter Umständen schneller zusammenfallen als andere.

Gibt es neuere Entwicklungen bei den Psychopharmaka, die man zu Manipulationen einsetzt?

Nein, es gibt die alten Geschichten mit LSD und Psilocybin. Dann natürlich Tranquilizer und Neuroleptika.Und es gibt ein bestimmtes Medikament, mit dem man sehr schnell Angst erzeugen kann, ein Medikament, das die Atemmuskulatur lähmt und massive Erstikkungsangst hervorruft. Mit einem solchen Medikament kriegt man beispielsweise auch einen Öcalan sofort klein. Das Interview führte Barbara Dribbusch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen