: Und welche Zimbel paßt jetzt?
■ Das Schlippenbach Trio bot im KITO ein perfektes Konzert
Schöne Krawatte, Herr Lovens! Dunkelblau auf weißem Hemd, die Ärmel hochgekrempelt. Ein Rheinländer. Ein konzentrierter Kulturarbeiter. Damit sei der modetheoretischen Einordnung des Trios Genüge getan. Die anderen zwei wirken so, als wäre Körperdesign das Letzte, was sie interessiert. Und überhaupt: welcher Musiker den Kritiker (respektive die Kritikerin) an wen oder was erinnert, ist ungefähr so interessant wie ein Sack Reis. Puh! Wieder ein paar Zeilen vollgeschrieben, ohne zur Musik zu kommen. Die nämlich ist schön abstrakt. Ergo: Kaum beschreibbar.
Dies Trio besteht, wie so oft, wenn es momentan gute, spannende, manchmal auch irritierende Musik zu hören gibt im Stadtstaat, aus älteren, aber nicht wirklich altgewordenen Herren. In dieser Besetzung sind Schlippenbach, Parker und Lovens seit nahezu dreißig Jahren Bestandteil eines fiktiven European Centre for Musical History and Sound Research. Es dauert ungefähr zehn Sekunden, dann weiß man, warum das so ist.
Das Konzert glich in seiner Bewegung des stetigen Fragens einem ausgedehnten Essay über die Beziehung von Raum und Klang sowie die Traditionsbezüge in der zeitgenössischen Musik. Eine Form der Suche, die jegliche Veri- /Falsifikations-Schemata hinter sich gelassen hat. Hier soll nichts bewiesen werden. Aber man kann lauschen und versteht, worum es geht. Wenn das auch noch jede Menge Spaß macht: Um so besser!
Das Trio spielt ohne jegliche elektrische Verstärkung. In der anderen Ecke des Raums war vermutlich ein komplett anderes Konzert zu hören. Anders als bei der letzten Platte hat man sich für zwei 45-Minuten-Sets entschieden. Vor der Pause sehr an eben diesen „Elf Bagatellen“ (1991) orientiert, also viel Monkisches. Ein dichtes Netz äußerst kurzer Statements.
Hälfte zwei hingegen beginnt wie Parkers „Electro Acoustic Ensemble“ sehr bedächtig beim Nicht-Ton. Mit einem hauchenden Sopransax, mit langgezogenen Zimbelsounds, die Lovens mit einem Bogen erreicht. Schlippenbach hat zwischenzeitlich sein Klavier mit allerlei Metallischem präpariert. Die ganz eigene Dynamik des Ensembles braucht über so lange Zeiträume den ständigen Wechsel von Tempi und Lautstärke. Nichts fällt dabei auseinander. Aus der Ruhe entstehen minimalistische rhythmische Strukturen. Repetitive Muster, immer wieder um eine Wenigkeit versetzt. Parker ist, Stichwort Zirkularatmung, sowieso sein eigenes Vorbild. Schlippenbach läßt neben Monk Satie anklingen, ein wenig Bartók. Alles sehr dicht. Und nie zuviel. Gegen Ende gibt's dann noch richtigen Freejazz, sehr schnell und sehr laut. Und Paul Lovens spielt dann schlicht Punk.
Ein Bild, in dem das ganze Konzert gleichsam eingeschlossen ist, ist das des im Spiel sich hinunterbeugenden Paul Lovens. Neben seinem Schlagzeug liegt ein Sammelsurium unterschiedlichster Zimbeln. Er spielt, hört, denkt nach, welcher Klang, welchen Zimbelgröße jetzt am besten passen könnte. Schließlich nimmt er eine auf, legt sie sachte auf die Snare und beginnt in einer Weise daran herumzufuhrwerken, die sich so exzellent in den Gesamtklang einpaßt, daß man die vielen anderen Möglichkeiten fast vergessen könnte. Ernsthaftigkeit und Spaß, was für eine Mischung im KITO!
Tim Schomacker
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