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Nationalistischer Wirrkopf

■ Jugoslawiens Vizepremier hat schon viele Wandlungen durchgemacht

Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Aktionen. Unter dem Eindruck mehrwöchiger Nato-Bombardements stört jetzt einer den harmonischen Gleichklang der jugoslawischen Politelite: Vuk Drakovic. Nach seiner harschen Kritik an der jugoslawischen Führung, das Volk über das wahre Ausmaß der Nato-Angriffe zu belügen, schloß Drakovic sogar die Stationierung von Nato-Truppen unter UN-Mandat im Kosovo nicht mehr aus.

Das wäre nicht die erste Metamorphose des bärtigen Langhaarträgers. So sitzt der frühere Oppositionspolitiker seit Januar 1999 mit seiner Partei, der Serbischen Erneuerungsbewegung (SPO), in der Regierung. Und damit Seite an Seite mit Slobodan Miloevic, von dem er nach dem Bosnienkrieg noch gesagt hatte, er gehöre vors Haager Kriegsverbrechertribunal.

Geboren wurde Drakovic 1946 in der Wojwodina. Nach dem Jurastudium 1968 war er zunächst Korrespondent in Afrika und machte anschließend als Schriftsteller auf sich aufmerksam. 1968 noch ein extremer Linker, wurde er Anfang der 80er Jahre großserbischer Nationalist. 1983 schrieb er den Bestseller „Das Messer“, in dem er die Ermordung serbischer Familien durch die Ustascha während des Zweiten Weltkrieges beschreibt. Wegen „Anheizen des serbischen Nationalismus“ erhielt er Publikationsverbot.

Als 1990 in Jugoslawien das Mehrparteiensystem eingeführt wurde, gründete Drakovic seine nationalistische Serbische Erneuerungsbewegung und avancierte zum prominentesten Vertreter der Opposition . In Wählerstimmen für die SPO schlug sich das jedoch nicht nieder. Auch im Alleingang hatte Drakovic kein Glück. Bei den Präsidentschaftswahlen im Dezember 1990 verlor er gegen Milomsevic.

Bei Straßenprotesten wurde er später mit seiner Frau Danica schwer mißhandelt und verhaftet. Erst durch einen Hungerstreik und internationalen Druck konnte Drakovic seine Verlegung in ein Krankenhaus erreichen. 1996 ging er wieder auf die Straße. Im Oppositionsbündnis Zajedno marschierte er mit Zoran Djindcic und Vesna Pesic gegen Manipulationen bei den Kommunalwahlen in der ersten Reihe. Zwar mußte die Regierung dem Druck schließlich nachgeben, Zajedno jedoch zerbrach – nicht zuletzt an den Eitelkeiten seiner Exponenten.

Seine Beteiligung an der jugoslawischen Regierung begründete Drakovic, der für Oppositionelle ein Verräter ist, mit der Notwendigkeit nationaler Einheit und der Verbesserung der Beziehungen Jugoslawiens zur internationalen Gemeinschaft. Bisher wurde der 52jährige, der manchmal sogar Miloevic mit seinen nationalistischen Parolen überholt, als Sprecher des Präsidenten wahrgenommen. Deshalb sind die Reaktionen auf seine jüngsten Äußerungen zurückhaltend. Die einen vermuten dahinter eine Absprache mit Miloevic, andere erste Versuche, sich als möglicher Nachfolger zu positionieren. „Vuk war wunderbar, das schlug ein wie eine Bombe“, schwärmte eine Belgrader Taxifahrerin nach Drakovic' Auftritt. Barbara Oertel

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