: Hunde dürfen Rehe reißen
■ Warum der Versuch aus dem Jahre 1996, eine Anleinpflicht für Hunde in der Brut- und Setzzeit im Feldordnungsgesetz zu verankern, am 13.4.1999 im Senat scheiterte
Kennen Sie den – „Stadtjägermeister“? Klar, sagt der Sprecher des Wirtschaftssenators, „Statt Jägermeister – Becks.“ Nein, nicht den, den mit „D“! Da muß der Sprecher des Senators erstmal nachfragen, den kennt er nicht. Aber der Wirtschaftssenator ist ja auch der Senator für das Jagdwesen und ist zuständig und kompetent. Also: Der Bremer „Stadtjägermeister“ heißt Harro Tempelmann und wohnt in 27404 Rüspel. Und der sorgt sich seit Jahren um die Bremer Jäger und gleichzeitig um die Rehe und Hasen und die Vogelbrut innerhalb der Bremer Landesgrenzen.
Und das kommt so: In der „Brut- und Setzzeit“ im Frühjahr ist es Hundebesitzern verboten, diese in der freien Landschaft unangeleint herumlaufen zu lassen. In Niedersachsen zum Beispiel, wo der Tempelmann wohnt. Bremer Hunde bedrohen also nicht nur die innerhalb der Bremer Landesgrenzen brütenden Vögel, sondern auch Rehe. Als die Jägerschaft im vergangenen Jahr in den Bürgerpark ging, wo laut Abschußplan einige Rehe gejagt werden durften, da mußte sie feststellen: Bis auf eines hatten Hunde den Jägern ihr Vergnügen abgeluchst.
1996 schon hatte Bremens Stadtjägermeister eine Initiative ergriffen, um die unangeleint wildernden Hunde außer Gesetzes („outlaw“) zu stellen. Durch eine „Änderung des Feldordnungsgesetzes“ sollte es schlicht verboten werden. Der Bremer Innensenator fand Gefallen an der Gesetzesänderung, konnte er doch gleich eine andere Sache unterbringen: Fahrräder sollten nicht mehr ungeahndet durch Grünanlagen fahren dürfen. Drei Jahre brütete die bremische Beamtenschaft, um die beiden Dinge in die notwendige Form eines „Gesetzes zur Änderung des Feldordnungsgesetzes“ zu bringen, am 13. April sollte der Senat das Gesetz befassen, damit es im Mai in der Bürgerschaft verabschiedet werden könnte und die Tiere wenigstens für den Rest der Brut- und Setzzeit (15. März bis 15. Juli) nicht ohne gesetzlichen Schutz dastünden. Offenbar waren aber drei Jahre Beratung nicht genug für eine derart komplexe Materie. Bisher hatten nur die Veterinäre (Hundebesitzer) und die Naturschützer (die einen Vogel haben) im Umweltressort um die Sache gerungen und unter sich einen Kompromiß gefunden. Im Senat müssen dann andere Interessen kollidiert sein.
Aber was? Der Senatssprecher weiß schlicht nichts von der ganzen Angelegenheit. Der Bausenator weiß immerhin, daß im letzten Moment die Frage aufgetaucht ist, ob nach Gesetzesänderung nun überall (hundelesbare?) Schilder aufgestellt werden müssen. Der Innensenator, der zuständig wäre, hatte dies Problem nicht und sagt, „höhere Weisheit“ habe zu der neuerlichen Verzögerung geführt. Höhere Weisheit? Was kann das sein? Der Stadtjägermeister hat da, ganz informell, auch was gehört. „Das hat mit der Wahl zu tun“, sagt er auf die Frage, warum das Gesetz klammheimlich in der Versenkung verschwunden ist. Ausgerechnet die Tierschützerin der SPD-Fraktion, Carmen Emigholz, so weiß es die Gerüchteküche, soll kategorisch erklärt haben: Nicht mehr vor der Bürgerschaftswahl! „Das eignet sich nicht als Wahlkampfthema“, sagt sie auf Nachfrage. Zufällig habe sie „Wind“ bekommen von der Gesetzesvorlage. Auf Äckern und Wiesen im bäuerlichen Nutzgebiet sollen Hunde nicht frei herumlaufen dürfen? „Wo sollen sie denn Auslauf haben?“ fragt die überzeugte Halterin eines Schäferhundes. „Ich wohne nur deswegen hier außerhalb in der Nähe der Deiche, weil mein Hund hier freien Auslauf hat.“ Tierschutz – ja, aber „nicht vom Schreibtisch geplant“. Und so stoppte die SPD-Fraktion die Ergebnisse dreijähriger bremischer Verwaltungstätigkeit. K.W.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen