: Einen Pfennig für Deine Gedanken
■ Mit den Motti-Partys auf du und du / Folge drei: Die ungezählte Titty-Twister-Party im Aladin
Also, ich war da neulich auf der Titty-Twister-Party – das „Titty Twister“ ist übrigens diese gotisch-mexikanisch-aztekische Lotterkneipe aus dem Action-Splatter-Streifen „From Dusk Till Dawn“ von und mit Quentin Tarantino, da tanzen so halbnackte Mädels, die hinterher zu Vampiren ... ach, scheiße ... schon wieder diese radikal subjektive Schreibe, gähn. Was kann man machen? Eine Prise Selbstreflexion?
Ich gestehe: Mein Kopf ist leer wie eine ausgepustete Passionsfrucht. Auch daß ich jetzt mit dem Vorsatz, mich zu inspirieren, eine ZZ-Top-Kassette eingelegt habe, ändert daran nichts. She don't love me, she loves my automobile – so ist das Leben!
Hoppla, jetzt habe ich wider Erwarten doch eine Idee: Ich könnte frech behaupten, auf dem Weg zum Aladin ein Gedankenlesegerät gefunden zu haben. „Au ja, prima, Gedankenspannern!“ höre ich die begeisterte LeserInnenschaft jauchzen. Also los.
1. Redakteur der Bild-Zeitung: Hm ... was könnte ich denn als Überschrift ...? Ich hab's: „Eine heiße Nacht im Aladin!“ Jui, das ist originell! Oh Gott, Junge, du bist soooo GUT! Und der Text ... ja, der Text ... „Da kamen die Gäste ganz schön ins Schwitzen: 20 GoGo-Tänzer und Tänzerinnen verwandelten das Aladin mit ihrer Super-Erotikshow in das Striplokal ,Titty Twister' aus dem Kultfilm – nein, Mega-Kultfilm – ,From Dusk Till Dawn'. Das Publikum wurde mit Bier vollgespritzt, durfte aber nicht zurückspritzen. Spitze!“ Fertig. He, das flutscht ja heute wieder! Hat man jemals solch wohlgeratene Komposita gesehen? Mitnichten!
2. Aladin-Geschäftsführer Natz: Also, einglich is das hier ja ne super Sache, ne. Das is ja alles hier so dekorationsmäßich umgebaut und alles. Und dann die Strip-Nummern ... astrein ... das Publikum macht auch mit. Jetzt schiggert auch noch ne Harley rein, geil. Boah, fünf Meter hohe Flammen!
3. Betrunkener Gast: Schllglllbllll ... Tittengll ... lala.
4. LSD-Freak: Mannomann, ganz schön aggressives Licht hier ... eiderdaus, was hampeln denn da für geometrische Formen über die Bühne? Die eine sieht ja aus wie'n unregelmäßiges Tetraeder mit gelben Schnabelschuhen. Gruselig! A propos gruselig: Die ganzen abgehackten Gliedmaßen an den Wänden sind meiner Behaglichkeit ebenfalls nicht zuträglich. Scheiße, ich komm voll auf Horror. Vielleicht hilft's, wenn ich bis hundert zähle, meinen linken Ringfinger in mein rechtes Nasenloch schiebe und mir vorstelle, ich bin Rapunzel? Man sollte nichts unversucht lassen.
5. Schlangentänzerin: –
6. Würgeschlange: Bibber bibber, endlich holt mich mal jemand aus der Gefriertruhe raus. Die Deppen glauben doch tatsächlich, daß Boas am Südpol leben. Ach Gott, jetzt muß ich mich wieder um den Hals dieser Tussi räkeln. Scheißjob. Wenn ich nicht so steifgefroren wäre, würde ich die Alte strangulieren, bis ihr die Glupscher aus dem Gehäuse poppen. Ich würde ja einen Brief an den WWF schreiben, aber ohne Hände ist das Essig.
7. Besucherin auf der Bühne: Hihihi, jetzt bin ich auf der Bühne. Ob Wolfgang wohl eifersüchtig ist, weil ich diesem Italo-Bodybuilder in seinen Leopardenslip greife? Hoffentlich. Huch, jetzt werde ich auch noch ausgezogen. Da wollen wir doch gleich mal ein bißchen Schamgefühl vortäuschen und uns halbherzig wehren.
8. Insider: Scheiße, hier gibt's nur Pitas und keine Kahuna-Burger. Chongo-Bier gibt's auch nicht. Und im Kippenautomaten sind keine Red Apples. Das soll das Titty Twister sein? Hmm ... die Tussi hat auch nur entfernt Ähnlichkeit mit Salma Hayek. Wie soll ich mich da wie George Clooney fühlen?
9. taz-Mitarbeiter: Ich glaub ich hab mich verhört! Monster Magnet! Das sollte ich aber in meinem Artikel lobend erwähnen. Gleich notieren ... hm ... ich wollte doch noch was anderes lobend erwähnen ... richtig: Ich werde ja morgen abend zu dieser GOTT & Sohn-Gala gehen. Und die beiden sympathischen Dilettanten werden mich durch ihr disharmonisches Geschredder mit Inspiration für diesen Artikel segnen. Danke Jungs! Tim Ingold
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