: Moderne ante portas
Seit gestern wird an den Landungsbrücken grundrenoviert – und die letzte Bastion der glas- und chromfreien Zeit fällt ■ Von Heike Dierbach
Wir schreiben das Jahr 1999 nach Christus. Ganz Hamburg ist von modernisierenden StadtplanerInnen, ArchitektInnen und InvestorInnen besetzt. Ganz Hamburg? Nur fast. Ausgerechnet eines der Wahrzeichen der Stadt, genutzt von einem wetterfesten, wortkargen Völkchen, wurde bis jetzt erfolgreich vor den Eindringlingen geschützt: Die Landungsbrücken. Die sahen Jahr um Jahr gleich aus, von einem neuen Dach für die abtrünnige Brücke drei einmal abgesehen. Gestern aber kapitulierte diese letzte Bastion endgültig vor der Übermacht der anrückenden Bohrmaschinen. Ab sofort wird grundrenoviert.
Angefangen hat alles Mitte der neunziger Jahre mit der Feststellung, daß die alten Dächer der Brücken und die Baldachine über den Treppenaufgängen zum Schwimmponton baufällig sind. Die Baldachine sind bereits 1998 abgerissen worden. „Da haben wir gedacht: Dann kann man gleich die Gesamtanlage attraktiver gestalten“, erläutert Wulf Ebner, beim Hamburger Amt für Strom und Hafenbau zuständig für den Hochbau. Statt der alten Null-acht-fünfzehn-Betonplatten sollen bis zum Herbst Baldachine aus Stahl und Glas die BesucherInnen empfangen. Die Dächer der Brücken eins und zwei werden noch in diesem Jahr erneuert, die von Nummer vier und fünf im kommenden. Brücke vier wird gar komplett aus- und wieder eingebaut. „Das geht zack-zack, und weg ist sie“, prophezeit Barkassenunternehmer Harald Glitscher. Überhaupt täuscht sich, wer glaubt, daß die sturen Hafenanlieger am liebsten alles lassen würden wie es schon immer war. „Die Zeit geht doch weiter“, meint Glitscher.
Und Helli Dargel vom Imbiß „Hafen-Oase“ sieht's pragmatisch – auch daß die neuen Baldachine etwas weiter als die alten auf den Schwimmponton ragen: „Das ist praktisch. Unser Wetter ist ja nicht immer das beste.“ Sorgen machen ihm lediglich die Umsatzeinbußen, wenn „seine“ Brücke für einige Zeit gesperrt wird.
Das sah vor einem halben Jahr noch anders aus. Als die ersten Pläne für den Umbau bekannt wurden, fürchteten viele Anlieger einen Verlust des maritimen Flairs. „Aber die Presse hatte einfach übertrieben“, erzählt Glitscher. In gemeinsamen Workshops mit dem Amt für Strom und Hafenbau habe man fast alle Wünsche und Meinungen unter einen Hut bekommen. Differenzen gibt es nur noch in der Frage, ob die Brücken sieben und neun komplett abgerissen werden, weil ihre Sanierung zu teuer wäre. Die Anlieger fürchten, daß das Westende des Pontons dann „noch toter“ wird.
13,5 Millionen Mark werden die Renovierungen inklusive technischer Verbesserungen am Ponton kosten. Wann sie abgeschlossen sind, steht noch nicht fest. Bleiben also noch ein paar Monate, um die Landungsbrücken als letztes Überbleibsel des glas- und chromfreien Zeitalters zu erleben.
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