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■ Rußland: Die Entlassung Primakows nützt den KommunistenEine Frage der Macht

In knapp einem Jahr hat Boris Jelzin drei Premierminister verschlissen. Sollten die Zeichen nicht trügen, wird Rußland in den nächsten Monaten nun per Dekret regiert und von einem Interimschef verwaltet. Mit Sicherheit verweigern die wutschnaubenden Duma-Deputierten Jelzins designiertem Kandidaten Sergej Stepaschin ihre Zustimmung. Die Konfrontation wirft düstere Schatten voraus. Und das in einem Staatswesen, dessen Autorität sich in freiem Fall befindet. Geht es dem Präsidenten noch um Politikgestaltung? Wohl kaum. Die Erkenntnis ist nicht neu, Boris Jelzin neige zu erratischen Entscheidungen. Dem Machterhalt hat das bisher keinen Abbruch getan. Was nunmehr zu Zweifeln Anlaß gibt, ist das schwindende Realitätsgefühl des Staatsoberhauptes. Die Entlassung Primakows legt den Verdacht nahe, Jelzin habe nun auch verlernt, strategisch zu denken, und sorge für ein Machtäquilibrium in seiner Umgebung, wenn seine Autorität auf dem Spiel steht.

Die geschaßte Regierung hat in der Tat wenig Rühmliches geleistet. Bemerkenswert vielleicht die Offenheit, mit der sich ranghohe Würdenträger hin und wieder der Öffentlichkeit präsentierten: unter dem Motto, Korruption sei nicht immer Korruption, gelegentlich erfülle sie ordnungspolitische Aufgaben. Es lohnt sich nicht, diesem Kabinett eine Träne nachzuweinen. Jelzins Begründung indes, Primakow habe wirtschaftlich nichts bewirkt, ist fadenscheinig. Wenn immer er sich von der wachsenden Autorität eines Premiers bedroht fühlte, schickte er ihn in die Wüste und drapierte den Neubeginn als notwendigen Reformschub, der gewöhnlich ausblieb.

Über kurz oder lang hätten die Bürger selbst erkannt, wessen Geistes Kind diese Regierung ist. Sie sind aufgerufen, im Dezember ein neues Parlament zu wählen. Immerhin saßen Vertreter der Kommunisten, der größten Duma-Fraktion, in Schlüsselpositionen, die hemmungslos Lobbyismus einer Minderheit betrieben. Hätte Jelzin da nicht warten können? Nun sind die Kommunisten fein raus, während die Nachfolger für deren Versäumnisse herhalten müssen. Ein strategischer Fehler, wenn ihm am Wohl des Landes gelegen wäre. Statt dessen geht es um die pure Macht. Doch warum, wenn er ohnehin in einem Jahr aus dem Amt scheidet ? Das legt die bange Vermutung nahe, Jelzin bereite sich womöglich auf eine weitere, verfassungswidrige dritte Amtszeit vor. Die Ernennung eines loyalen Premiers mit Rückhalt bei den Truppen des Innenministeriums und der Polizei paßt zumindet in diese Logik. Klaus-Helge Donath

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