: Feiern im Netz
■ Zum 10jährigen senden die Gründer des kritischen Belgrader Radios B 92 im Internet
Gordan Paunovic, 35, war heute vor zehn Jahren einer der Gründer des unabhängigen Belgrader Radiosenders B 92, der am 24. März von der Regierung geschlossen wurde. Zum Geburtstag sendet er unterwww.freeb92.net heute aus Holland ein 24stündiges Sonderprogramm. taz: Heute ist das alte B 92 im Untergrund, früher wart ihr auch eine oppositionelle Stimme. Ist das wiederholbar? Gordan Paunovic: Wir haben damals auch die Oppositionsparteien sehr kritisch betrachtet. Die waren nicht viel mehr als eine kosmetische Regulierung des Systems Miloevic. Auch die Freiheit der Medien ist nur für eine kleine gesellschaftliche Gruppe ein absoluter Wert geblieben. B 92 wurde dabei als radikale politische Gefahr – wie eine extreme Partei – behandelt, auch, weil wir mehr Einfluß auf die Leute hatten als die Oppositionsparteien. Wir arbeiten nun am Aufbau von „Nachkriegs“-Strukturen.
Schon vor den Nato-Bomben war B 92 Opfer der Zensur. In der ersten Bombennacht wurdet ihr aus dem Äther verbannt, nun sendet eine neues, linientreues Team. Was sind das für Leute?
Die meisten gehörten kommunistischen Jugendorganisationen an, die in den Neunzigern profillos, korrupt und bedeutungslos waren, aber als „stille Reserve“ auf diese Drecksarbeit vorbereitet wurden. Die haben klare Befehle.
Seit der Übernahme haben sich nicht nur die Inhalte der Nachrichten bei B 92 geändert ...
... sondern auch die Musik, die für uns ein wichtiges politisches Ausdrucksmittel war, von alternativem Rock bis Drum 'n' Bass.
Heute ist das Netz eure einzige Möglichkeit, nach Belgrad durchzudringen. Wie reagiert ein repressiver Staat darauf?
Die Mächtigen nehmen die neuen Medien inzwischen sehr ernst. Wenn nicht schon jetzt, so werden die drei oder vier noch verbleibenden Provider in Jugoslawien bald unter völliger Kontrolle sein und E-Mails zensiert werden. Unser Server wurde von der Polizei bereits während der Anti-Miloevic-Demonstrationen 1996/97 für einige Tage stillgelegt.
Statt auf die staatliche Agentur Tanjug habt ihr auf ein eigenes großes Korrespondentennetz gesetzt, auch in den Konflikten in Bosnien oder im Kosovo. Trotzdem hieß euer Motto: „Vertraut niemandem, nicht einmal uns.“
Die Nachrichten staatlicher Medien enthalten nicht nur – falsche – Informationen, sondern auch gleich die entsprechenden Denkanleitungen, das sind viele einfach gewohnt. Unser Motto bedeutet: Kauft den Medien bloß nicht alles ab, benutzt euren eigenen Kopf. Interview: Christoph Rasch
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