■ Kleinmachnow – Ort zum Wohlfühlen?: „Das Flair des Lebens ist verlorengegangen“
Gerhard Niendorf, 62 Jahre, Rentner
Wir wohnen seit 1969 im Ort. Im März vergangenen Jahres mußten wir in das Neubaugebiet ziehen, da nach der Rückführung die neuen Besitzer das Haus, in dem wir wohnten, verkaufen wollten. Solche Nachteile müssen wir in Kauf nehmen, immerhin haben zu DDR-Zeiten ja darauf gewartet, daß was passieren würde. In der DDR hätten wir uns ein Eigenheim nicht leisten können. Wir sind zufrieden hier.
Sven-Lars Isegrei, 28 Jahre, Raumausstatter
Das Leben ist steifer geworden. Die Leute, die hier zugezogen sind, haben eine andere Mentalität. Bei den Kleinmachnowern, die sich von früher kennen, gibt es ein größeres Gemeinschaftsgefühl. Leute, die aus ihren Häusern rausmußten, sind in das Neubaugebiet gezogen, um in Kleinmachnow bleiben zu können. Da haben sie statt 500 Quadratmeter Garten jetzt 50. Der Flair des Lebens ist weg.
Friederike Braun, 29 Jahre, Mutter
Ich lebe gerne hier, und für Kinder ist Kleinmachnow ideal. Sie können auf Spielplätzen oder im Wald spielen, außerdem sind hier andere Familien mit Kindern im gleichen Alter. Ich bin vor zwei Jahren aus Berlin nach Kleinmachnow gekommen, weil meine Schwiegereltern hier wohnen. Zu den Alt-Kleinmachnowern habe ich eigentlich keinen Kontakt, da in unserer Straße fast nur Zugezogene leben.
Erika Fischer, 65 Jahre, Rentnerin
Ich wohne seit 1950 in Kleinmachnow. Als sich vor zwei Jahren der Eigentümer aus dem Westen gemeldet hat, sind wir freiwillig aus dem Haus ausgezogen. Einfach war das nicht, auch weil wir Geld in das Haus investiert hatten. Davon haben wir nichts wiederbekommen. In dem neuen Haus gefällt es uns jetzt allerdings sehr gut, der Kontakt zu den Nachbarn ist ausgezeichnet. Ich möchte nicht zurück.
Nicol Schwarz, 19 Jahre, arbeitslos
Kleinmachnow hat sich verändert, seit so viele Berliner zugezogen sind. Deren Kinder denken, sie wären etwas Besseres, weil sie mehr Geld haben. Für die sind wir irgendein Dreck. In der Regel sind wir unter uns und die Zugezogenen unter sich. Für die alten Leute ist das noch schwieriger. Meine Oma mußte aus ihrem Haus und deshalb ihren Hund weggeben. Mit ihrer neuen Situation kommt sie nicht zurecht.
Petra Stüben, 36 Jahre, Einzelhändlerin
Mir gefällt es sehr gut hier, die Menschen sind alle nett. Als ich vor vier Jahren aus Berlin hierherkam, war es allerdings sehr schwierig. Da kamen die Leute in den Laden und fragten: Kommen Sie aus dem Osten oder aus dem Westen? Als Einzelhändlerin bekam ich den Vorwurf zu hören, als Wessi wolle man sich die Taschen vollstopfen. Heute macht keiner mehr diese Unterscheidungen.
Umfrage: Tobias Hinsch
Fotos: Anja Weber
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