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Zwei Lager im Krieg der Worte

Migrantenzeitschriften in Deutschland. Heute: Kosovarische und serbische Zeitungen. Eine Berichterstattung mit Blick gen Osten, nationalistischen Tönen, patriotischen Inhalten, Horoskop und Kreuzworträtsel  ■   Von Ekkehart Schmidt

Was geschieht wirklich in Belgrad und Pritina? Der „Medienkrieg“ um Interpretationen und Wahrheiten rund um den realen Krieg in Jugoslawien wird nicht nur über Fernsehbilder geführt. An die in Deutschland lebenden Migranten und Flüchtlinge aus Serbien, dem Kosovo und Albanien richten sich auch über ein Dutzend Heimatzeitungen mit Deutschlandausgaben. Die meisten unterscheiden sich kaum von den Originalausgaben. Wenige sind Migrantenzeitungen. Inhaltliche Bezüge zum Leben in Deutschland fehlen weitgehend – und das nicht erst seit Kriegsbeginn.

Gemeinsam ist den Zeitungen aus Albanien und dem Kosovo neben den patriotischen bis nationalistischen Inhalten, daß fast alle in der Schweiz produziert werden. Die größte unter ihnen, Kosova Sot, erscheint seit September 1998 in einer täglichen Auflage von 30.000. Für die Zeitung arbeiten sehr junge Journalisten mit einem Durchschnittsalter von rund 25 Jahren. Kosova Sot hat in den letzten Monaten Koha Ditore als größte kosovarische Zeitung abgelöst. Deren Redaktionsräume in Pritina waren einen Tag vor Beginn der Bombenangriffe bei einem Überfall zerstört worden. Die Journalisten versteckten sich oder mußten flüchten. Nach einem Monat Unterbrechung erscheint Koha Ditore jetzt wieder. Gesponsert von französischer und englischer Seite sowie der Soros-Stiftung, wird sie nun im makedonischen Tetovo gedruckt und vor allem in Flüchtlingslagern kostenlos verteilt. An deutschen Kiosken ist sie noch nicht wieder erhältlich. Eine wichtige Exilzeitung ist auch die in Zürich gedruckte internationale Ausgabe der Rilindja („Wiedergeburt“). Sie, wie auch die Deutschlandausgaben von Kosova Sot und Ora E Shqiperise Re werden zwar für Migranten in veränderter Form auf den Markt gebracht, bieten ihnen jedoch kaum spezielle Informationen. Das gilt auch für die albanischen Zeitungen, wie die in Aarau produzierte Zeri i Kosoves, die in Zürich gedruckte Bota Sot und die seit 1998 von einem Frankfurter Büro produzierte Gazete Shqiptare. Sie alle sympathisieren mehr oder weniger deutlich mit der kosovarischen Untergrundarmee UÇK. Vor allem Bota Sot wird aufgrund des täglichen Abdrucks von Vermißtenlisten derzeit viel gelesen. Die Europaausgabe der zweiwöchentlich erscheinenden Zeitung Emigranti Shqiptar ist zwar eine politische Informationszeitung, bedient aber auch andere Lesebedürfnisse. Rund die Hälfte der Zeitung wird gefüllt mit Rubriken vom Horoskop bis zur Humorseite. Völlig aus dem Rahmen fällt die originelle Unterhaltungs- und Satirezeitung Ngucakeqi aus Luzern, die den Krieg mit schwarzem Humor begleitet.

Auf der anderen Seite dieses indirekten Propagandakrieges in Texten und Fotos stehen die hier erhältlichen serbischen Tageszeitungen. Auch sie sind regierungsnah-patriotisch. Die Druckqualität und Vielfalt der Themen ist jedoch erheblich besser als die der „Gegenseite“. In Belgrad gedruckt werden Politika und der Nedelnjni Telegraf. Es dominiert eine serbisch-nationale, aber bis Kriegsbeginn nicht unbedingt regierungstreue Berichterstattung. Ähnliches gilt auch für die seit 1992 in Frankfurt produzierte serbischsprachige Europaausgabe der Novosti. Dagegen haben Oko Nedeljnik und Vesti den hier lebenden Migranten immerhin auch Berichte aus Deutschland zu bieten. Beide werden in Bad Vilbel produziert, aber nur die seit 1992 produzierte Deutschlandausgabe der Vesti ist eine echte Migrantenzeitung. Sie ist wohl die regierungsunabhängigste serbische Zeitung. So druckt sie derzeit auch Texte über die Ängste der serbischen Bevölkerung. Zwar thematisiert sie in den westlichen Medien unterschlagene Themen wie die kriegsbedingte Luftverseuchung. Sie läßt aber kein Wort fallen über das Schicksal der Flüchtlinge und die Funde von Massengräbern. Aber zu dieser Seite der Kriegswahrnehmung berichtet das deutsche Fernsehen ausführlich genug – falls man sich als serbischer Migrant darauf einlassen will.

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