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Gottes Segen zum Abschied

■ Zum ersten – und zum letzten – Male erledigte die Bürgerschaft ihre Tagesordnung vollständig und verabschiedete die ausscheidenden Volksvertreter

Eine lange Tagesordnung war gestern im Parlament abzuarbeiten, business as usual war die Stimmung. Aber die Bürgerschaftsabgeordneten hatten sich eine Redezeitbeschränkung von drei Minuten auferlegt, um alles zu schaffen. Und sie schafften alles – mit ungewöhnlicher Effektivität. Es war die letzte Parlamentssitzung vor der Wahl, und Parlamentspräsident Metz nahm sich nach der pünktlichen Erledigung der Tagesordnung viel Zeit, die ausscheidenden Abgeordneten – jedenfalls diejenigen, die nicht auf den neuen Listen kandieren – in aller Form mit einem „Dankeschön“ nach Hause zu schicken. Parlaments-Vizepräsident Claus Dittbrenner, der dazu gehört, wünschte den „Kolleginnen und Kollegen“, die die Arbeit weitermachen, „Gottes Segen für das Bundesland Bremen“.

„Ich mache erstmal Urlaub“, sagt Klaus Möhle, der vergeblich um einen sicheren Listenplatz bei den Grünen gekäpft hatte. „Das ist derjenige von uns, der am Besten beim Volk ankommt mit seinen Reden“, meinte Maria Spieker. Sie hätte dem früheren Weidedamm-Besetzer eine zweiter Legislaturperiode gegönnt. Selbst will sie sich nach acht Jahren aus der vorderen Reihe der Fraktion wieder zurückziehen, „acht Jahre sind genug“, sagt sie. Sie will in der Fraktion Öffentlichkeitsarbeit machen und – ganz privat – sich mehr Zeit zum Malen nehmen.

Klaus Wedemeier scheidet aus, er hat auch die letzte Sitzung diszipliniert abgesessen, obwohl er in seinem neuen Beruf wahrlich Besseres zu tun hätte, wie Parlamentspräsident Metz andeutete. Wedemeier habe sich nur selten zu Wort gemeldet, aber wenn er geredet hätte, „dann hatte er was zu sagen“. Wedemeier war 1971 ins Parlament gekommen wie Manfred Fluß, der zeitweilig Finanzsenator wurde. Bei der SPD scheidet auch Elke Steinhöfel, die Sozialpolitikerin, und Peter Sörgel, der Stahlwerke-Betriebsratsvorsitzende, der von Wedemeier als „Quereinsteiger“ 1995 geholt worden war.

Der Name Bernbacher müßte gleich zweimal auf der Abschiedsliste stehen, er, Klaus – AfB-Abgeordneter und sie, Christa, – die Grüne – wollen den Jüngeren das Feld überlassen.

Reinhard Metz mußte gleich zwei CDU-Kollegen verabschieden, die mit ihm 1971 ins Parlament gekommen waren: Wolfgang Erfurth und Wedige von der Schulenburg. Von dem „71er Jahrgang“ seien nun nur noch Henning Scherf und er selbst dabei. Wer wohl wen verabschieden müsse, rief da einer dazwischen.

„Schön, daß wir Sie kennengelernt haben“, entfuhr es Metz zu dem mit 63 Jahren Lebensalter „jüngsten“ Abgeordneten, der gestern seine zweite und letzte Sitzungswoche hatte: Gerhard Thielemann war erst jüngst für die zur SPD zurückgekehrte Elke Kröning bei der AfB nachgerückt. Er war Ingenieur und dann jahrelang für die DAG Betriebsrat und stellvertretender Aufsichtsratvorsitzender bei STN gewesen. „Mich hat die Intensität der Arbeit im Hintergrund überrascht“, bekennt Thielemann, er habe früher schlechter über die Parlamentarier gedacht als nun nach der kurzen eigenen Erfahrung. Dennoch – „viel Neid und Eitelkeit“ bremse die Effektivität, und mit der Effektivität der industriellen Arbeit sei die Politik nicht vergleichbar. So ganz hat er sich auch an die Publicity-Strategien nicht gewöhnt: Völlig unverständlich für den Industrie-Mann ist, daß im Wahlkampf nicht „die Mannschaft“, die die Arbeit tut, sondern eine einzelne Figuren in den Vordergrund geschoben würden.

Die AfB hatte ihm eine kleine Anfrage in der vergangenen Sitzung überlassen, so daß er im Protokoll wenigstens einmal Erwähnung finden wird. K.W.

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