: „Die hätten uns umgebracht“
NPD-Mitglied gesteht Beteiligung an rassistischem Überfall im Kreis Stade. Alle Verdächtigen gefaßt. Flüchtlinge wollen umziehen ■ Von Heike Dierbach
Der Baseballschläger wurde säuberlich verziert: „1. Preis“ ist mit rotem und schwarzem Edding auf den Griff geschrieben. Darüber ein Hakenkreuz. Vermutlich hatten die acht Täter auch diese Trophäe dabei, als sie am späten Mittwoch abend die Asylbewerberwohnung in Aspe (Kreis Stade) überfielen (taz berichtete): Gestern präsentierte die Stader Polizei beschlagnahmte Waffen aus zwei durchsuchten Wohnungen, darunter die des 22jährigen mutmaßlichen Rädelsführers, der NPD-Mitglied ist.
Neben ihm waren bereits am Donnerstag zwei Verdächtige verhaftet worden. Einer von ihnen und das NDP-Mitglied haben die Tat gestanden und Aussagen zu Mittätern gemacht. Dadurch konnte die Polizei gestern auch die übrigen fünf Verdächtigen festnehmen. Die Verhafteten sind nach Polizeiangaben zwischen 19 und 30 Jahre alt, stammen alle aus dem Landkreis und gehören der rechtsradikalen Szene an. Das NPD-Mitglied wurde gestern dem Haftrichter vorgeführt, die anderen zwei am Donnerstag Festgenommenen sind inzwischen wieder auf freiem Fuß.
In der Asylbewerberwohnung im ersten Stock eines Einfamilienhauses in Aspe sind die Spuren des Überfalls noch zu sehen: Fast alle Fenster sind zertrümmert, Splitter liegen auf dem Boden. James Smith, Isaac Ali und Francis Turay haben Angst. Die drei jungen Männer aus Sierra Leone hatten sich durch einen Sprung aus dem Fenster im ersten Stock gerettet, als sie den Tumult hörten. Ein weiterer Bewohner versteckte sich unter seinem Bett. „Die hätten uns alle umgebracht“, ist sich Smith sicher.
Bleiben wollen sie nicht, „hier sind wir nicht sicher“. Die Türen der Wohnung lassen sich nicht abschließen, ein Telefon gibt es nicht. Aber eine andere Unterkunft könne er nicht bieten, erklärt Johann Gehrken, Leiter des Ordnungsamtes. Schon vor dem Überfall sind die Bewohner auf der Straße angepöbelt worden. Vor zwei Wochen, erzählt Smith, seien zwei Mädchen gekommen und hätten gedroht: „Wenn ihr nicht verschwindet, werdet ihr umgebracht.“ Smith ging zur Polizei, „aber die meinte, sie könne hier nicht immer jemanden haben.“ Jetzt halten die Männer Nachtwache aus Furcht vor weiteren Angriffen.
Die Polizei hat derweil ihre Präsenz in Aspe verstärkt. „Aber wirklich sichern kann man Asylbewerberheime nicht“, glaubt Kriminaldirektor Lothar Niehbuhr. Bewohner des Dorfes wollen heute vor dem örtlichen Spar-Markt einen Info-Stand zum Thema Ausländerfeindlichkeit aufbauen. „Ich hätte nie geglaubt, daß es so einen Überfall hier geben könnte“, empört sich Gehrken.
Neu ist das Problem im Landkreis aber nicht: 1995 machte eine Gruppe namens „Die Bomber“ vor allem Zeltdiscos unsicher. Die Polizei vermutet, daß ehemalige Mitglieder an dem jüngsten Überfall beteiligt waren. Und Anfang dieser Woche sprühten Unbekannte an die Tür des Jugendzentrums im nahegelegenen Bremervörde: „Gegen antideutschen Terror“.
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