Nachgefragt: „Strukturhilfe ohne Not schnell zugesagt“
■ Was wird mit der Sanierungshilfe? Der CDU-Finanzpolitiker Merz antwortet
taz: Waren Sie überrascht, daß die Bundesregierung noch einmal Sanierungshilfen für Bremen bewilligt hat?
Friedrich Merz: Ich habe mich gewundert, daß Oskar Lafontaine so schnell und ohne Not die Zusage gemacht hat, die Strukturhilfen vollständig aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren, was wohl maßgeblich geprägt war von seiner Zusage ans Saarland. Lafontaine wollte einen schnellen politischen Erfolg für das Saarland haben. Der Bund hätte im Haushaltsjahr '99 schon 1,6 Milliarden sparen können, hätte er die Länder mit in Anspruch genommen.
Jetzt werden die Weichen gestellt für die Stuktur des Länderfinanzausgleiches nach dem Jahre 2004. Die Stadtstaaten verlangen eine Besserstellung.
Dafür gibt es viele gute Gründe. Die Stadtstaaten erfüllen ja zentrale Funktionen auch für ihr Umland. Aber insgesamt wird das eine sehr schwierige Geschichte werden, es steht ja der gesamte Bund-Länder-Finanzausgleich auf dem Prüfstand. Das Bundesverfassungsgericht wird dem Gesetzgeber möglicherweise eine Reihe von Auflagen machen. Dann kommt die grundlegende Frage: Wollen wir jeden Wettbewerb vermeiden oder wollen wir kooperativen Wettbewerbsföderalismus?
Das Grundgesetz garantiert gleichartige Lebensbedingungen.
Ich bin dafür, daß man diese Formulierung im Grundgesetz über-prüft. Ich halte sie für falsch in der Sache, weil Sie das nie erreichen – und wir sollten gar nicht den Versuch machen. In Bremen leben Menschen, die sich dort wohl fühlen. Die denken nie im Leben daran, nach Stuttgart umzuziehen, obwohl dort ein deutlich höheres Lebenshaltungsniveau besteht. Mehr Wettbewerbs-Föderalismus kann doch nur helfen.
Das bedeutet: ein Land mit weniger Steuereinnahmen muß bei den Ausgaben sparsamer sein ...
... oder dafür sorgen, daß es höhere Einnahmen bekommt. Der Stern hat in seiner Sonderausgabe „Der Süden ist das bessere Deutschland“ an verschiedenen Beispielen deutlich gemacht, warum in Baden-Württemberg und Bayern die Schulen besser sind, warum die Lebensqualität höher und die Arbeitslosigkeit niedriger ist. Das hat etwas mit den politischen Entscheidungen über Jahre zu tun.
Zufällig alles CDU-regierte Länder.
Nicht zufällig. Dort, wo mehr Wettbewerb besteht, hat es immer einen Zuwachs an Wohlstand gegeben. Und wo es mehr Wohlstand gibt, gibt es mehr zu verteilen für die Sozialpolitik. Und nicht umgekehrt.
Bremen will in den Verhandlungen über die neue Bund-Länder-Finanzverteilung erreichen, daß den Stadtstaaten, insbesondere Bremen, mehr zufällt. Können Sie sich das vorstellen?
Zu diesem Zeitpunkt und zu diesem Thema kann ich mir alles und nichts vorstellen. Wir sollten abwarten, wie das Bundesverfassungsgericht urteilt. Das wird vorgeben, welche Ungleichheiten zwischen den Ländern der Gesetzgeber akzeptieren darf und welche nicht. Das Saarland zum Beispiel, das bei der Wirtschaftskraft mit 80 Prozent deutlich unterm Bundesschnitt liegt, wird durch den Finanzausgleich auf 105 Prozent aufgestockt. Das ist einer der Gründe, warum Bayern und Hessen geklagt haben.
Bremen ist sicher, daß die reichen Südländer das verlieren.
Ich nicht. Zumindest werden Grundsätze aufgestellt werden. Der Berichterstatter im Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichtes, der hier zuständig ist, ist fest entschlossen, zu diesem Thema noch ein paar feste Pflöcke einzurammen, bevor er in den Ruhestand geht.
Fragen: Klaus Wolschner
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