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„Das Einfachste ist der Erfolg“

■  DHB-Trainer Heiner Brand über die gestiegenen Erwartungen an das wiedererstarkte deutsche Handballteam bei der WM, die trübe Zukunft und den „Kick“, den eine Medaille geben könnte

taz: HerrBrand, wenn derzeit von WM und Nationalmannschaft gesprochen wird, fällt auffallend häufig auch das Wort Medaille. Wie sehr spüren Sie diese wieder gestiegenen Erwartungen an den deutschen Handball?

Heiner Brand: Im Moment ist es durchaus noch auszuhalten. Obwohl schon im Anschluß an unseren Sieg beim Worldcup erste Stimmen laut wurden, daß jetzt auch bei der WM eine Medaille anvisiert werden müßte. Aber wir sind realistisch genug, um die Situation richtig einzuschätzen.

Konkreter bitte!

Wir haben sicherlich einiges an Ansehen gewonnen mit den Siegen bei Supercup und Worldcup sowie dem dritten Platz bei der EM. Wir wissen aber auch, daß es sieben, acht, neun Mannschaften gibt, die ähnlich gut Handball spielen wie wir; vielleicht einige sogar noch etwas besser. Es wird also sehr schwer, unsere Ziele zu erreichen. Daß wir diese hoch stecken müssen, ist klar, sonst hat das Ganze ja keinen Zweck.

Daran ändert auch der verletzungsbedingte Ausfall Ihres besten Mannes, des Lemgoer Spielmachers Daniel Stephan, nichts?

Natürlich ist das ein Schock für uns alle. Die Ziele bleiben aber die gleichen. Nur daß sie jetzt noch schwieriger zu erreichen sind.

Was sind die Ziele?

Hauptziel ist zunächst die direkte Qualifikation für Olympia. Das bedeutet, daß wir unbedingt unter die ersten sieben kommen wollen. Alles andere wäre eine Enttäuschung. Wenn's höher geht, nehmen wir das gerne mit.

Von einer Medaille reden Sie nicht?

Wir wollen schon ins Halbfinale kommen, und wir haben mit dieser Mannschaft wirklich die Möglichkeit, jeden zu schlagen. Es gibt aber umgekehrt auch viele Teams, die uns schlagen können.

Um Handball in Deutschland den Kick nach vorne zu geben, wäre eine Medaille hilfreich.

Ganz klar: Die einfachste Möglichkeit, Handball positiv darzustellen, ist der Erfolg. Den ersten Kick haben wir da ja schon mit der Bronzemedaille bei der EM bekommen. Wenn wir diese Plazierung bestätigen könnten, würde das bedeuten, daß wir uns da oben etabliert hätten.

Als Grund für das eben überwundene Tief mußte stets das Bosman-Urteil herhalten, die vielen ausländischen Topspieler in der Bundesliga.Was hat sich seit Ihrem Amtsantritt geändert?

Nichts. Im Gegenteil, die Rahmenbedingungen haben sich eher verschlechtert. Wobei die Auswirkungen auf die Nationalmannschaft derzeit noch gar nicht so drastisch sind, weil die Spieler, die ich im Kader habe, auch Stammspieler in ihren Vereinen sind.

In Zukunft aber ...

... wird es zunehmend schwieriger. Weil die Chancen für junge Spieler, sich in der Bundesliga zu entwickeln, nach wie vor nicht da sind. Es kann auf Dauer aber nicht reichen, wenn ich nur über sieben oder acht Spieler verfüge, die vielleicht in Frage kommen. Ich muß aus 30, 40, 50 auswählen können. Und an diesen Pool müssen die jungen Spieler rangeführt werden.

Was ist, wenn sich nichts ändert?

Wenn die jetzige Situation sich nicht ändert, wird Handball, ähnlich wie Basketball und Eishokkey, in den nächsten Jahren Probleme bekommen.

Herr Brand, ist die Bundesliga wirklich die stärkste der Welt?

In der Breite auf jeden Fall. In der Spitze kann sie es noch nicht bestätigen. Dafür muß eine deutsche Mannschaft endlich einmal die Champions-League gewinnen. Das ist einfach das Nonplusultra für Vereinsmannschaften.

Inwiefern profitieren Sie als Bundestrainer trotz der genannten Nachteile von der Liga?

Die Spieler arbeiten körperlich auf einem sehr hohen Level. Sie werden wöchentlich stark gefordert, weil es in der Bundesliga keine einfachen Spiele mehr gibt. Das sind Dinge, die die Streßfähigkeit der Spieler positiv beeinflussen.

Das finanzielle Harakiri mancher Bundesligavereine dürfte aber auch Ihnen die Bartspitzen vibrieren lassen.

Ich kann natürlich nicht in die Bücher der Vereine schauen. Ich denke aber, daß die Vereine die finanzielle Situation etwas entspannen könnten, wenn sie bei ihrer Einkaufspolitik etwas zurückhaltender wären. Natürlich nur, wenn sie den dann nachrückenden deutschen Spielern nicht zu hohe Gehälter zahlen.

Solange dies nicht der Fall ist, wird Handball das Stigma kaum los, eine Pleitensportart zu sein.

Natürlich ist das nicht positiv für den Handball. Nur muß man dazu sagen, daß solche Dinge auch in anderen Sportarten immer wieder passieren. Es sollte, da haben Sie recht, aber trotzdem nicht sein. Interview: Frank Ketterer

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