: Schacher um Kabinettsposten
■ Michail Kasjanow wird russischer Finanzminister. Seine Aufgabe ist es, einen Aufschub für die Schuldenzahlung zu erreichen
Moskau (taz) – Als Rußlands Premier Sergej Stepaschin nach zähen Verhandlungen endlich die Besetzungen der Schlüsselposten im Kabinett bekanntgab, hatte er große Mühe, seine Erschöpfung zu verbergen. Das Schachern um die Posten in der vierten Regierung seit 14 Monaten hat bisher ungekannt aggressive Züge angenommen. Der Premier konnte indes zufrieden sein: Dem kollektiven Jelzin, hinter dem sich Oligarch Boris Beresowski, Jelzins Familie und gelegentlich der Kremlchef verbergen, hatte er zumindest einen Vizepremier abtrotzen können.
Finanzminister Michail Sadornow erhielt den Zuschlag. Ohne Sadornow hätte der vom Familienclan ernannte Hofminister im Range eines Vizepremiers, Nikolai Aksjenenko, frei walten können. Kaum in der Luft, wischte Jelzin seinem Regierungschef eins aus. Sadornow bleibt Vizepremier für Makroökonomie, muß aber das Finanzressort niederlegen.
Nachfolger im Finanzministerium wird Michail Kasjanow, der Rußland bisher bei den Umschuldungsverhandlungen in Paris und London vertreten hatte. Kasjanows erste Aufgabe wird sein, zumindest für einen Teil der inzwischen 140 Milliarden US-Dollar Schulden einen Aufschub zu erwirken. Warum der Kremlchef Sadornow die Zuständigkeit für die Finanzen entzogen hat, ist Spekulation. Doch liegt nahe, daß Jelzins Umgebung dem bisher unbescholtenen Technokraten Sadornow, der sich mit Premier Stepaschin gut verstehen soll, nur soviel Kompetenzen einräumen will wie nötig.
Inzwischen verdichten sich Gerüchte über das dubiose Wirken des neuen Vizepremiers Aksjenenko. Der ehemalige Eisenbahnminister ist ein Protegé Beresowskis, der überall dort auftaucht, wo sich der Staat noch schröpfen läßt. Während der Zeit als Eisenbahner soll zumindest die nähere Verwandtschaft recht gut mit der Bahn gefahren sein. Doch damit nicht genug. Die Obtschaja Gaseta schrieb: „Dem Eisenbahngeschäft, in das Aksjenenko soviel Energie investiert hat, hängt ein auffallender Leichengeruch an.“ Einige Geschäftspartner verunglückten tödlich kurz hintereinander. Klaus-Helge Donath
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