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Bewußt kein Mitleid für die Kranken

■ Jenseits von Hollywood: Thomas G. A. Manks Aids-Film „Signalstörung“

Zum Thema Aids fallen dem Kino viele Erzählungen ein. Thomas G. A. Manks „Signalstörung“ ist ein Film, der sich ihnen von der ersten bis zur letzten Einstellung entziehen will. Zwar konzentriert sich Mank auf eine Figur, doch deren Biographie zeichnet sich nur schemenhaft ab: schwierige Kindheit in der Provinz, Flucht in die Stadt, schwule Subkultur, die ersten Fälle von Aids, das positive Testergebnis, die Aidsstation in der Frankfurter Uni-Klinik. Für Mitleid, für Einfühlung in den Kranken öffnet Mank ganz bewußt keinen Raum, auf erzählerische Kohärenz verzichtet er sowieso; statt dessen entwickelt er eine Collage aus gestellten und vorgefundenen Szenen, aus Gegenwart und Vergangenheit, aus Tönen und Farben, die sich einer rein assoziativen Logik verschreiben.

„Signalstörung“, im vergangenen Jahr mit dem Hessischen Filmpreis ausgezeichnet, versucht sich damit auf dem Feld des experimentellen Dokumentarfilms, was Aufmerksamkeit verdient, insofern die Absage ans Erzählkino einem Sujet wie Aids gerechter werden kann als Hollywoodschmonzetten à la „Philadelphia“. Gerechter werden kann, aber nicht muß. Denn so sehr sich Manks Film gegen eine leicht konsumierbare Form verwahrt, so sehr belegt er leider auch, daß der Wille zum Experiment allein nicht reicht. Ein bißchen Farbfilter hier, ein bißchen bedrohlicher Unterton dort, dazu nicht enden wollende Kamerafahrten an Eigenheimsiedlungen oder Raubtierfkäfigen entlang: Das ergibt eine Mixtur, die die Chiffren des Bedeutungsschweren in Anschlag bringt, ohne sie mit irgend etwas zu füllen. Zuviel wird da behauptet, zuwenig belegt.

Hinzu kommt eine Larmoyanz, die ihresgleichen sucht. Etwa in den Kindheitserinnerungen, die dem Protagonisten ein diffus empfundenes Anderssein schon zusprechen, als der gerade erst sechs Jahre alt ist: So pflegt denn ein jeder seine retrospektive Konstruktionsleistung. Die eigene uneheliche Herkunft bietet Anlaß zu nicht abreißender Klage wie zum unterschwelligen Vorwurf an die Mutter. Ein bewegender, nicht ins Sentimentale kippender Augenblick kommt nur ein einziges Mal vor:

Wenn der Protagonist von dem HIV-Test erzählt, dem er sich nach langem Zögern und zahlreichen positiven Testergebnissen in seinem Freundeskreis unterzog. Das Ergebnis lautet negativ, woraufhin ausgiebig gefeiert wurde. Bis drei Tage später ein Anruf vom Arzt kam: Die Entwarnung habe auf einer Namensverwechslung beruht, der Befund sei doch positiv.

Cristina Nord

Signalstörung“, D 1997, 63 Min., tgl 17 Uhr 30, Xenon

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