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■ Türkei: Die politische Logik von Öcalans ProzeßauftrittApos Strategie

Abdullah Öcalan hat die PKK nicht dazu aufgerufen, die Waffen niederzulegen. Er hat nichts „verraten“ und ist nicht „reumütig“. Sein ganzes Verhalten, seitdem er aus Damaskus raus ist, folgt einer bestimmten Logik: Er will die PKK legalisieren und selbst als Kurdenführer anerkannt werden. Und er setzt das einzige Mittel an, das er hat, um Druck auszuüben: die Drohung mit Gewalt.

Ein Leben in der Illegalität war nie, was Öcalan wollte. Einmal eine bewaffnete Armee aufgebaut, wurde es immer mehr zu seinem Ziel, die PKK zu einer politischen Partei zu machen und selbst zu einem Mandela oder Arafat zu werden. Dafür wurden das Exilparlament und die Kurdeninstitute gegründet, PKKler im Westen sollten die Organisation hoffähig machen. Aber es klappte nicht.

Die PKKler wußten nie, wie in Europa Politik gemacht wird, Gewalt ging nach hinten los. Er schimpfte über seine „unfähigen, rohen“ Gefolgsleute. Auf die Gewalt wollte er aber nicht ganz verzichten, denn sie hatten kein Öl, kein Erdgas, aber nur ihr „Aktionspotential“ als Waffe in der Hand, die sogar deutsche Verfassungsschützer nach Damaskus lockte. In der erzwungenen Rom-Reise sah er eine große Chance. Aber es klappte wieder nicht. Seine Auslieferung an Ankara bewies endgültig, daß die wichtigen Mächte nicht bereit waren und sind, die PKK und die Kurdensache zu unterstützen.

In der Türkei sagten seine Anwälte: Du wirst so oder so gehenkt. Also machen wir dieses Gericht zu einer öffentlichen Plattform, um den türkischen Staat mit seinen Vergehen an Kurden bloßzustellen. Aber der Realpolitiker und Praktiker Apo hatte schon längst erkannt, daß eine revolutionäre Show nichts als Selbstbefriedigung bedeutete.

So schaltet er nun die Anwälte aus und verfolgt seine eigene Strategie. Seine Statements sind nicht an das Gericht adressiert, sondern an Ankara, Washington, Europa und natürlich seine Anhänger. Er versucht, die Machthaber zu überzeugen, daß er lebendig mehr wert ist als tot. Seine gute Behandlung auf der Insel läßt ihn hoffen, doch noch als Verhandlungspartner akzeptiert zu werden.

Werden Ankara und Washington ihn benutzen, um die PKK endgültig auszuschalten? Wird die PKK-Führung mitspielen oder Apos Aussagen für nichtig erklären und, mit dem großen Märtyrer im kollektiven Gedächtnis, weitermachen wie bisher? Noch sind diese Fragen nicht endgültig beantwortet. Dilek Zaptçioglu

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