piwik no script img

Kulturgroupie

Schreiben wie Zähneputzen: Die Hamburgerin Sarah Khan debütiert mit ihrem Roman „GoGo Girl“. Heute abend liest sie im Mojo-Club  ■ Von Claude Jansen

„Sarah Khan – Pause – wär ich zwar gerne, leider muß ich mich mit einem weniger schönen Namen zufrieden geben. Sie haben sich verwählt.“ Erster Versuch. „Sarah Kane, das ist doch diese englische Autorin. Nee, das bin ich nicht.“ Falsche Nummer. „Wie bitte, Sie wollen mit Dschingis Khan sprechen. Ha Ha. Toller Witz.“ Fünf Tage später: „Hallo, Sarah Khan. – Ein Kurzportrait? – Versteh ich nicht. – Bin ich berühmt? – Na gut, morgen früh um elf.“

Sarah Khan kommt die Treppen hochgehetzt und wirkt erleichtert, weil sie einen gedeckten Frühstückstisch vorfindet. Nicht etwa, weil sie komplett ausgehungert ist, sondern weil Brötchen schmieren, Tassen hin- und herrücken und sich gelegentlich etwas in den Mund schieben gute Beschäftigungen sind, um der ersten Anspannung zu entkommen. Schließlich ist die Universitätsabsolventin bislang lieber Groupie gewesen, selber Star sein ist dagegen eine neue Erfahrung. „Seitdem mein Roman GoGo Girl angekündigt ist, klingelt mein Telefon recht häufig. All diese bescheuerten Frauenzeitschriften wollen mich portaitieren.“ Derartige Interviews lehnt Sarah beharrlich ab, weil sie nicht zum überzüchteten Popsternchen der Literaturszene stilisiert werden möchte.

Als Sarah Khan mit 25 Jahren anfing, an ihrem Roman herumzubasteln, waren ihre Beweggründe weder Ruhm noch die Suche nach einem Tagebuchersatz. Es war alles viel banaler. Und wenn sie davon berichtet, klingt es nicht einmal kokett. Sarah war allein und und hatte zu viel Zeit. Damals in Berlin. Die große Stadt sollte ihr zum heilenden Asyl werden. Sie immun machen gegen die Hamburger Berufsjugendlichkeit. Als der Streik an der Humboldt Universität ausgerufen wurde, fühlte sie sich endgültig zu ewiger Einsamkeit verdammt. Ein erstes Buch also, und das möglichst unprätentiös – wie ein ganz normales Alltagsritual, wie Zähneputzen oder Einkaufen. „Jetzt weiß ich, daß es eine richtige Entscheidung war, denn außer in Kneipen und an der Uni abzuhängen, hatte ich nichts getan, womit ich ernsthaft zufrieden sein konnte.“

Daß GoGo Girl sich aus eigenen Erfahrungen und Beobachtungen nährt, will die Hamburgerin, die sich selber als „Kulturgroupie“ bezeichnet, gar nicht abstreiten. Dennoch würde sie am liebsten mit einem T-Shirt durch die Straßen laufen, das mit folgender Zeile bedruckt ist: „Ich bin nicht die Protagonistin in meinem Roman!“ Darauf wird Sarah Khan in der nächsten Zeit wohl am häufigsten hinweisen müssen, denn die biographischen Daten des GoGo Girls decken sich deutlich mit denen der Autorin.

Daß dabei Situationen beschrieben werden, die austauschbar sind, scheint den meisten Rezipienten nicht gleich aufzufallen. Doch Sarah Khan weist deutlich darauf hin, daß sie nicht die einzige ist, die als junge Studentin durch die angesagte Clubszene rannte, um „coolen“ Musikern der Hamburger Szene hinterher zu jagen, oder sich von einer Hospitanz in die nächste schmiß, weil es chic war, irgendwie am Theater tätig zu sein. „Damit können sich wahrscheinlich ziemlich viele Frauen meines Alters identifizieren. Das ist auch gut so. Dann konzentrieren die sich auf die Liebesgeschichte.“ Und die liegt ihr besonders am Herzen. Ganz traditionell sollte sie werden. Eben nicht wie im richtigen Leben, sondern wie im Roman mit einer Heldin und komischen Zufällen.

Der Name, den sie ihrem pakistanischen Vater verdankt, eilt ihrem Ruhm voraus. Ob Sarah Khan jedoch reich und berühmt werden will, weiß sie nicht genau. „Reich schon, aber berühmt? Das nervt doch ziemlich, und die Mechanismen sind so durchschaubar.“ Sarah Khan ist eine kluge Beobachterin und vielleicht wird sie doch, wenn auch unfreiwillig, zur Hauptfigur ihrer aufgeschriebenen Geschichte, denn die weiß auch immer mehr als die Stars, die sie ach so sehr anhimmelt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen