: „Die spinnen wohl!“
■ Kleine Chronik zum zwanzigjährigen Hollerland-Streit
as Hollerland (im 12. Jahrhundert von holländischen Bauern angelegt) ist seit über 20 Jahren ein Politikum in der Hansestadt – ein Symbol für den Kampf zwischen den Guten (die ein Stückchen Natur retten wollen) und den Bösen, den Betonköpfen und Baulobbyisten. Erstmals im März 1978 mobilisierten Umweltfreunde gegen eine Bebauung des Hollerlands. Die Recken der Bewegung (schon damals dabei: Altkämpfer Gerold Janssen) blicken zurück auf zahllose Schlachten – und können bis heute nicht in Rente gehen.
Schon in den 60ern waren die Pläne hochfliegend und von keinerlei Skrupeln getrübt. Damals ging man von explodierenden Bevölkerungszahlen in Bremen aus und plante Satellitenstädte am Bremer Stadtrand. Eine davon sollte „Hollerstadt“ heißen und auf 400 Hektar Wohnraum für 50.000 Menschen schaffen. Daneben sollte westlich des Kuhgrabenwegs ein 800 Hektar großes Gewerbegebiet entstehen. 1969 wurde bekannt, daß ein Immobilienmakler namens Wilhelm Lohmann große Teile des verplanten Gebiets billig eingekauft hatte – vermutlich nach einem Tip des einflußreichen DGB-Bosses Richard Boljahn, der gleichzeitig der SPD-Bürgerschaftsfraktion vorstand. Das Kapitel ging als „Baulandskandal“ in die Geschichte der roten Bremer Filzokratie ein, die da gerade ihre Hochzeit erlebte – gleichzeitig entstand eine Bürgerinitiative gegen die geplante „Hollerstadt“.
In Folge kam es zu Auseinandersetzungen zwischen der BI und dem Bremer Filz. Der Streit läßt sich als spannende Geschichte lesen*, als eine Geschichte über miese Tricks Bremer Behörden und Staatsbetrieben einerseits und der Entwicklung listenreicher und phantasievoller Gegenstrategien der Naturschützer andererseits. Die eine Seite jonglierte mit Gut- und Schlechtachten nach Belieben; die andere übte Formen zivilen Ungehorsams ein. Natürlich hetzten Teile der Lokalpresse „Kommunisten“. Die Beschimpften antworteten mit symbolstarken Aktionen, etwa jenen legendären „Malaktionen“ von Gerold Janssen, der auf Wege und Leitplanken nicht nur „Hände weg vom Hollerland“ pinseln konnte, sondern auch die Kunst des Tierzeichnens auf Asphalt leidlich erlernte.
1981 beschlossen SPD und Baudeputation die Bebauung des Hollerlandes. Doch einen Teilerfolg konnte die BI verbuchen: 270 Hektar des Hollerlandes sollten als Naturschutzgebiet ausgewiesen werden. Immerhin war das Großprojekt „Hollerstadt“ damit gestorben, die BI nannte sich um in Bürgerinitiative für die Erhaltung des Hollerlandes.
Mitte der 80er Jahre stand dann das Gebiet südlich des Autobahnzubringers auf der Tagesordnung. Ein riesiges COOP-Lager sollte dort gebaut werden, wo wertvolle Orchideen wuchsen. 1985 beschloß der Senat die Hollerlandbebauung. Bagger rückten an, Blockaden folgten. 1986 wurde das „COOP-Monster“ gebaut. 1989 ließen sich die Aktivisten eine neue Kampfform einfallen: Sie luden alle politisch Verantwortlichen zu geführten Hollerlandbegehungen ein – ein offenbar erfolgreiches Rezept. SPD-Fraktionschef Dittbrenner, Gewoba-(=Ex-Neue-Heimat)-Geschäftsführer Kulenkampff, Umweltsenatorin Evi Lemke-Schulte, Justizsenator Volker Kröning, Senatsrat sowie Erzwidersacher und späterer Janssenfreund Manfred Osthaus – alle schleppte Janssen durch die nassen Wiesen. Im Oktober 1989 unterzeichneten Janssen, Osthaus, Bausenator Kunick und Deputationssprecher Schreiber einen „historischen Kompromiß“, der nicht alle Naturfreunde erfreute: Eine Wohnbebauung des „Hollergrunds“ nahe der Lilienthaler Heerstraße sollte zulässig sein. Der Rest: Naturschutzgebiet. Der Job der BI schien erledigt.
Bis 1995 schien das Thema vom Tisch. Erst das Zerbrechen der Ampelkoalition und der Griff der CDU nach der Regierungsmacht scheuchte die Reste der Bewegung wieder auf: Senator Perschau verkündete 1996, daß die CDU eine Ausdehnung des Technologieparks über die Autobahn weg ins Hollerland wollte. Seitdem ist auch wieder ein Autobahnanschluß durchs Hollerland im Gespräch bzw. eine Entlastungsstraße für Lilienthal mit BAB-Anschluß. 1997 demonstriert CDU-Fraktionschef Ronald-Mike Neumeyer in einem legendären Statement die geballte ökologische Kompetenz der CDU: „Erfahrungsgemäß sind Vögel durchaus in der Lage, einen Kilometer weiter zu fliegen.“ Und ein Jahr später, im Juni 1999, sieht SPD-Bürgermeister Henning Scherf plötzlich Beratungsbedarf zum Hollerland. BuS
* G. Janssen, D. Mazur: „Hör ich recht? Trasse durch das Hollerland? Die spinnen wohl!“ Chronik der Auseinandersetzung um die Bebauung des Hollerlands in Bremen. Bremen 1999. (Zu beziehen über den BUND).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen