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Polizei will sich nicht den Mund verbieten lassen

■ Fahrerflucht von Mompers Tochter gab Werthebach Munition für den Maulkorberlaß

Mit seinen Einschüchterungsversuchen gegenüber der eigenen Verwaltung und der Polizei manövriert sich Innensenator Eckart Werthebach (CDU) immer stärker ins politische Abseits.

Nachdem Werthebach am Montag im Innenausschuß des Abgeordnetenhauses gedroht hatte, wer Informationen an die Presse oder Abgeordnete weitergebe, werde gefeuert, läßt er nun Taten sprechen: Er forderte die Polizeibeamten einer Kreuzberger Dienststelle auf, dienstlich zu erklären, ob sie der Presse Informationen über den Unfall der Momper-Tochter Friederike gesteckt haben.

In Sicherheitskreisen macht sich Werthebach mit dieser Aktion gleichermaßen unbeliebt wie lächerlich. Man geht davon aus, daß der Verantwortliche für die Indiskretion nicht gefunden wird. „Auf diesem Weg kommt Werthebach mit Sicherheit nicht weiter“, ist der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Eberhard Schönberg, überzeugt. Im Gegenteil: „Die Kollegen werden dadurch verärgert, weil die meisten so etwas nicht machen: bei jedem Anlaß gleich die Presse informieren.“

Aus Polizeikreisen verlautete, daß Werthebach einer „Fehleinschätzung erliegt, wenn er glaubt, daß sich die Polizei durch Maulkorberlasse einschüchtern lasse“. Auf so eine Idee könne nur ein Nichtberliner kommen. „Daraus saugen doch alle Honig. Presse und Parteien gleichermaßen.“

Im konkreten Fall ist es die SPD, die den Nachteil aus der Veröffentlichung des Unfalls der Momper-Tochter hat. Kein Wunder also, daß der Fraktionsvorsitzende Klaus Böger sich bitter bei Werthebach über die Indiskretion beklagte und Aufklärung forderte. Die Anwort von Werthebachs Sprecherin Isabelle Kalbitzer schmeckt den Sozialdemokraten allerdings gar nicht: Solche Indiskretionen, so Kalbitzer, wolle Werthebach doch gerade mit seinem Erlaß (Maulkorb für Beamte – d. Red.) verhindern. Der SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller verwahrte sich gestern gegen diese versuchte Vereinnahmung. Der Fall Momper habe mit dem Kontaktverbot des Innensenators rein gar nichts zu tun. Werthebachs Einschüchterungsversuch zeige viel mehr, daß dieser seiner politischen Rolle als Innensenator nicht gerecht werde.

Das einzige Mittel gegen Indiskretionen sei eine offensive Informationspolitik der Pressestellen, meint der innenpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Wieland. Diese hätten den Fall von sich aus bekanntmachen müssen, weil das Auto Momper gehöre, der eine Person der Zeitgeschichte sei. Daß der Fall „Wasser auf Werthebachs Mühlen“ ist, schmeckt aber auch Wieland nicht. Er kündigte an, beim wissenschaftlichen Parlamentsdienst ein Gutachten über die Zulässigkeit der eingeschränkten Kontakte zwischen Beamten und Abgeordneten in Auftrag zu geben. Innensenatssprecher Schmidt erklärte dazu: Von einem „Erlaß“ könne keine Rede sein.

In dem besagten Rundschreiben von November 1998 habe Werthebach nur eine „seit Urschleimzeiten bestehende Regelung in Erinnerung gerufen“. Werthebach „bitte darum“, daß sich Beamte und Abgeordnete vor einem Gespräch an die „Hausleitung“ wendeten. Bei „spontanen Kontakten“ sei eine Unterrichtung im nachhinein gewünscht.

babs, plu

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