: Buchrecycling in den Uni-Katakomben
■ Durch den Verkauf von gespendeten Büchern finanzieren GemanistikstudentInnen der FU Neuanschaffungen für die Fachschaftsbibliothek. Mit dieser ehrenamtlichen Arbeit versuchen sie Kürzungen im Hochschuletat auszugleichen
Rote Pfeile führen die Treppen runter. Im Keller riecht es nach altem Papier. Der große Raum ist voll mit Bananenkisten. Dort liegen alte Bücher nach Schwerpunkten geordnet. Die Regale reichen nicht aus. Selbst ein großer Einkaufswagen ist im Einsatz.
Der Buchkeller in der Rostlaube der Freien Universität in Dahlem ist eine Schöpfung des studentischen Förderkreises der Bibliothek Germanistik FU. Seit drei Jahren verkaufen die Studenten gespendete Bücher und versorgen so ihre Bibliothek mit dem Geld für Neuanschaffungen. Über 102.000 Mark haben sie im Laufe der Zeit gesammelt.
1996 gab es Kürzungen im Haushalt der Hochschulen. Die Bibliotheken waren davon besonders betroffen, der Literaturetat wurde bis zu 50 Prozent gekürzt. Keine neuen Anschaffungen mehr, hieß das für die germanistische Bibliothek der FU, eine der besten Fachinstitutsbibliotheken bundesweit. „Wir wollten so gut bleiben, wie wir waren“, sagt Mark-Georg Dehrmann, Germanistikstudent und Vorsitzender der Initiative. Neben den Überlegungen, ob die Studenten nicht streiken sollten, kam seinem Vorgänger Tim Jung eine Idee: Bücher über Spenden zu bekommen und weit unter den Antiquariatspreisen zu verkaufen. Zusammen mit dem Bibliotheksleiter Christian Büttrich organisierte er vor drei Jahren zunächst eine Spende von einigen tausend Büchern des Verlags Volk und Welt. Der Verlag mußte umziehen und räumte gerade sein Lager auf. Noch heute finden sich eingeschweißte Bücher aus diesem Grundbestand im Verkaufskeller. Im Juli rief dann Büttrich zu weiteren Spenden auf. So konte schon der erste Buchbasar im Sommer 1996 mit 80 vollen Umzugskartons stattfinden.
Im November 1998 bekam der Förderkreis dann die Möglichkeit, in den Keller der Rostlaube umzuziehen und regelmäßige Verkaufstage dienstags und donnerstags festzulegen.
Die Studenten, Mitglieder des Förderkreises, arbeiten ehrenamtlich. Es sind immer Besucher da. Nicht nur Studenten und Dozenten der FU, sondern auch viele Leute von außerhalb kramen in den Kisten. Literaturwissenschaftliche Bücher, Belletristik, naturwissenschaftliche Literatur, Religion, Bildbände und Kinderbücher – die Auswahl ist groß. „Wir werfen keine Bücher weg. Es wird alles gekauft“, sagt Mark-Georg und räumt die Kisten ein. So wartet neben dem Berliner Lehrerverzeichnis aus den Jahren 1925 – 1931 ein Duden mit alter Rechtschreibung sowie der Reiseführer „Hongkong's best Restaurants“. Zehntausende von Büchern sind im Angebot.
Wer nicht im Keller in den Kisten wühlen möchte, kann die Bücher auch im literarischen Café der Germanisten erwerben. Dort stehen sie in den Holzschränken geordnet. 700 bis 1.000 Mark werden wöchentlich eingenommen.
Mit den gespendeten Büchern kann Büttrich auch die Lücken in der eigenen Bibliothek füllen oder beschädigte Exemplare durch besser erhaltene austauschen. So konnte die Bibliothek ihren Vorrat um 3.000 wissenschafliche Titel anreichern: Hinzu kamen Neuanschaffungen, die mit den vom Förderkreis zur Verfügung gestellten 60.000 Mark erworben wurden. All diese Bücher tragen einen Extrastempel mit dem Logo des studentischen Förderkreises.
Büttrich hat keine Angst, daß die Spenden weniger werden. Es gibt nur ein Problem: Das Gebäude soll saniert werden. „Unsere Katakomben sind dann weg“, bedauert er. Spätestens Anfang nächsten Jahres muß der Förderkreis damit rechnen, den Keller leerräumen zu müssen. Ein neuer Raum für den Bücherverkauf wird noch gesucht. Nino Ketschagmadse
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen