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Verzicht auf Bomben-Uran möglich

Forschungsministerium: Versuchsreaktor Garching kann ohne hochangereichertes Uran betrieben werden. USA hatten gegen Atomwaffen-Stoff protestiert  ■   Von Klaus Wittmann

Memmingen (taz) – Die Verantwortlichen an der Technischen Universität München (TU) dürften nicht begeistert sein. Eine Kommission aus Politikern, Friedens- und Atomforschern kommt zu dem Schluß, der heftig umstrittene Forschungsreaktor FRM-II müsse nicht unbedingt mit HEU (hochangereichertem Uran) betrieben werden. Die Sachverständigen halten einen Umbau der Neutronenquelle für einen Betrieb mit LEU (leicht- oder niedrigangereichertem Uran) für denkbar und zumutbar. Im Abschlußbericht heißt es: „Die Umrüstung des FRM-II auf den Einsatz von LEU-Brennstoff vor seiner Fertigstellung ist eine proliferationspolitisch sinnvolle und technisch realisierbare Option.“

Genau das hat die bayerische Staatsregierung für das 810-Millionen-Mark-Projekt immer bezweifelt, ebenso die TU-Verantwortlichen. Physiker der Münchner Hochschule glauben in einem solchen Fall die zweieinhalbfache Leistung und somit einen wesentlich größeren und teureren Reaktor zu benötigen, um einen ähnlichen Neutronenfluß zu erhalten, wie er für die Forschung in Garching erforderlich ist.

Der Vorsitzende der Kommission, der SPD-Foschungsstaatssekretär Wolf-Michael Catenhusen, erklärte, der Umbau könne in drei Jahren realisiert werden. Grundsätzlich, so Catenhusen, „macht Neutronenforschung in Deutschland Sinn und sollte fortgesetzt werden“.

„Die Garchinger bekommen jetzt die Quittung für ihre Arroganz und Ignoranz, sie haben sich das selbst eingebrockt“, meinte am Montag die Diplomphysikerin Karin Wurzbacher vom Umweltinstitut München. Man habe bei der TU und der Staatsregierung nicht darauf hören wollen, daß andere Forschungseinrichtungen ohne den Einsatz von hochangereichertem und somit atomwaffenfähigem Brennstoff auskommen. Als Beispiel nennt die Wissenschaftlerin die Forschungsreaktoren in Geesthacht, Berlin, Jülich und Grenoble, wo bereits auf neue, hochdichte Brennstoffe umgestellt wurde oder die Umstellung geplant ist.

Das halten die Experten auch in Garching für nötig, was freilich zu einer Zeitverzögerung von rund drei Jahren und zu einer nicht unerheblichen Kostensteigerung führen würde. Gleichwohl, so die Expertenkommission, sei ein solcher Umbau grundsätzlich denkbar. Außerdem seien unzumutbare Beeinträchtigungen für die Wissenschaft vermeidbar.

Die Sachverständigen halten allerdings auch eine andere Variante für praktikabel, nämlich den Reaktor wie geplant fertigzustellen und erst dann auf LEU-Brennstoff umzurüsten, wenn entsprechende Brennelemente konstruiert sind, die die gleiche Neutronendichte erreichen wie HEU-Brennelemente. Genau dazu hat sich auch Grenoble bereit erklärt, und zwar auf Druck der Amerikaner. Den Verzicht auf HEU hatten die Vereinigten Staaten ja auch von der Technischen Universität München mit Nachdruck verlangt, um den Einsatz von waffentauglichem Uran zu verhindern.

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