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Der Tag, als Bodo Hombach fiel

Für viele Genossen war es ein Tag des Lachens. Mit Eichels Sparpaket hat die rot-grüne Regierung Punkte gemacht. Mit dem Abgang des Kanzleramtschefs verschafft sich Schröder die Rückendeckung der SPD-Fraktion  ■   Aus Bonn Markus Franz

So fröhlich wie gestern im Foyer des Bundestages waren die Sozialdemokraten lange nicht mehr. Am frühen Morgen hatte Finanzminister Hans Eichel eine umjubelte Rede gehalten, aber das Schönste sollte erst noch kommen. Kanzleramtsminister Bodo Hombach geht, er geht nach ... ach, egal wohin er geht, jedenfalls geht er.

Auf einmal schienen Sparpaket, Rentenreform und all das, worum es in einer erbitterten Debatte im Plenum des Bundestages ging, nebensächlich. Abgeordnete egal welcher Partei wurden nur mit einer Frage bestürmt. Was sagen Sie zu Bodo Hombach? Schlitzohrig, ein Grinsen mehr schlecht als recht unterdrückend antwortete SPD-Fraktionschef Peter Struck. „Ich bedauere, daß er jetzt nicht mehr für die Zusammenarbeit mit der Fraktion zur Verfügung steht.“ Auf die Frage, warum er denn so strahle, erwiderte Struck: „Weil der Eichel so einen guten Tag hatte heute.“

Die Umstehenden lachten, jeder weiß, daß die Fraktion und Hombach nicht miteinander können. Schließlich war auch das mit ein Grund, warum Hombachs Abgang als ideale Lösung gilt. Der Kanzler braucht für seinen Modernisierungskurs den Flankenschutz durch die Fraktion. Die unzureichende Koordination von Hombach sorgte eher für Probleme.

Aber das mit dem guten Tag des Finanzministers stimmte. Am Vortag in der Bundespressekonferenz hatte sich Eichel noch fast lächerlich gemacht. Da redete er und redete, unverdrossen und langatmig, daß die Journalisten erst tuschelten, dann lachten. Der Kanzler lachte auch, nachsichtig allerdings, Riester zwinkerte dem Kanzler zu, aber Eichel redete einfach weiter, sich und die Regierung verteidigend gegen die Staatsbankrotteure von Union und FDP, die der neuen Regierung so ein schweres Erbe hinterlassen hatten.

Vor dem Bundestag am nächsten Morgen ein ganz anderes Bild. Getragen von großer Zustimmung aus den eigenen Reihen redete Eichel schlicht und vorwärtsgewandt. Sätze wie: „Wir dürfen nicht über unsere finanziellen Verhältnisse leben“, oder: „Wir müssen uns endlich mal ehrlich machen“, bekommen bei einem wie dem „braven Hans“ Gewicht. Die Zustimmung schlug um in Begeisterung, als Eichel sich zu kultverdächtigen Bemerkungen aufschwang. Von wegen Rasenmähermethode, sagte er mit Blick auf sein Sparpaket, „wir haben jedem Ressort eine Rosenschere an die Hand gegeben, damit die Rosen wieder blühen.“ Da lachten sie bei der Koalition auf, wohl auch verblüfft über soviel Wortwitz des trockenen Zahlmeisters. Und johlten wenig später, als Eichel rief: „An Stelle des sicheren Giftes der Staatsverschuldung, das zum Tode führt, setzen wir die bittere Medizin der Gesundung.“ Am Schluß der Rede stand der Kanzler auf und umarmte seinen Finanzminister herzlich. Am Tag, an dem Hombach, der Selbstdarsteller, fiel, erhielt Eichel, der Uneitle, den Ritterschlag zum Shooting-Star.

Die Abgeordneten von SPD und Grünen sind Eichel dankbar, daß er sie durch das kaum für möglich gehaltene Sparpaket zunächst in den Vorwärtsgang gebracht hat. Die Arbeitsmarktexpertin der Grünen Thea Dückert drückte es so aus: „Wir wurden zusammengeschweißt und haben wieder die Initiative bekommen.“ Wie lange das anhält, ist aber ungewiß. Schließlich ist immer noch nicht heraus, zu welchen Sparmaßnahmen etwa der Verteidigungs- und der Verkehrsminister greifen. Dazu die Kürzungen bei den Arbeitslosen, den Rentnern – schon jetzt gebe es massiven Ärger. Thea Dückert vermutet: „Wir haben nur eine Atempause.“ Erst recht, da die Grünen noch ein ganz anderer Schuh drückt: der Atomkonsens. Darüber, heißt es, könne die Koalition doch noch platzen.

Skepsis herrscht auf einmal bei der Union, die nicht mehr ganz so überzeugt von einer Pleite der Regierungspolitik zu sein scheint. Volker Rühe warnte am Rande des Plenums mit Bezug auf den Vorwurf der „Rentenlüge“: „Die Kritik am Wortbruch darf nicht dazu führen, daß wir selbst falsche Positionen beziehen.“ Mit anderen Worten: Riesters Rentenpolitik ist so anders nun auch wieder nicht als unsere.

Und ein CDU-Abgeordneter, der nicht genannt werden wollte, sagte moderat: „Es steht unentschieden.“ Es komme jetzt darauf an, ob die Regierung der noch zu erwartenden Kritik standhalten könne. Theo Waigel (CSU) hält dagegen die Reformen für einen Garanten auf kommende Wahlsiege. Bundesaußenminister Joschka Fischer ist das offenbar gleich. „Wir haben den Krieg überstanden“, sagte er gegenüber Journalisten, „da werden wir die Landtagswahlen auch noch überstehen.“

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