: Gute Akteure – flache Witze
■ Sommerkomödie „Zurück zum Happy End“ feierte Premiere im Packhaustheater
Muß Boulevardtheater per se schlechtes Theater sein? Nein! Müssen Boulevardkomödien per se belanglos sein? Nein! Ist „Zurück zum Happy End“ schlecht und belanglos? Teilweise. Doch von Anfang an.
Die Idee, das Happy End an den Beginn zu rücken, ist definitiv nicht schlecht. Die Studentin Bettina Kern (Heidi Jürgens) und der Beamte Manfred Meyer (Stefan Schneider) wollen heiraten. Da sie bis zu ihrem Aufruf im Standesamt noch zwei Stunden Zeit haben, erzählen sie dem Publikum die Highlights ihrer fünfjährigen Partnerschaft. Das Kennenlernen, das erste Essen, der erste Sex, der Urlaub in der Bretagne. Und es wird offenbar, daß die Beziehung der beiden doch nicht so perfekt war, wie eingangs behauptet; zu sehr unterscheiden sich die Erinnerungen der zukünftigen Eheleute. So ist Manfred in seiner Erinnerung ein strahlender Held, Bettina hingegen ein unselbständiges Weibchen. In Bettinas Erinnerung wiederum ist Manfred ein verklemmter Volltrottel, sie selbst aber souveräne Powerfrau. Gemeinsam mit dem Publikum machen sich beide Gedanken darüber, was denn von ihrem Selbstbild beziehungsweise vom Bild des anderen stimmt und was nicht. Das Auftreten von Manfreds Mutter (Karin Hölscher) verschiebt die Glaubwürdigkeit der Versionen jedoch zugunsten von Bettina. Als gluckenhafte Über-Mutter und Klischee einer Alptraum-Schwiegermutter macht sie deutlich, daß jemand, der unter dem Einfluß ihrer Erziehung stand, eher Volltrottel als Held sein muß. Die Erinnerungen erweisen sich als inkompatibel, das Glück des Paares ist gefährdet. „Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren, da sind wir wohl in ein Stück von Strindberg hineingeraten“, sagt Bettina zum Publikum, als die beiden sich übermäßig zoffen. Autor Frank Pinkus hat einige solcher schönen Momente eingebaut. Beispielsweise die rührenden Liebeserklärungen. „Ich liebe dich, weil du beim Zähneputzen immer in der Wohnung herumläufst und weiße Punkte auf die Möbel machst“, sagt Bettina – „Ich liebe dich, weil du zum Frühstück Vollkornbrötchen ißt und Jazz hörst“, sagt Manfred. Auch die Schlußszene, eine geistige Vorwegnahme der Flitterwochen und gleichzeitig das „echte“ Happy End, ist klasse. Die beiden stehen in Gedanken auf dem Empire State Building und werfen ihre Schuhe über die Brüstung. Manfred zitiert eine Szene aus „Schlaflos in Seattle“. Und natürlich ist auch schon ein Kind unterwegs. Der Weg dorthin ist allerdings weniger erfreulich: Wenn das Thema Sex heißt, geht es in die Hose. Eine Anspielung auf Masturbation genügt dem Publikum, um sich auf die Schenkel zu klopfen.
Die Schwächen der Inszenierung sind identisch mit den Schwächen des Textes. Regisseur Michael Derda (übrigens selbst Schauspieler – und kein schlechter) ist hier kein Vorwurf zu machen, aber auch kein übermäßiges Lob zu zollen: Er hat den Text so umgesetzt, wie er vom Autor gedacht war. Das mag den Autor freuen, den Kritiker weniger. Zu viele flache Witze, zu viel Pointengeilheit, die sich in der Weigerung niederschlägt, auch mal einen naheliegenden Scherz auszulassen. So kommen viele Witze mit Ansage, Autor und Spielende vermasseln sich selbst die Pointen. Das ist schade, denn aus der guten Grundidee hätte mit etwas mehr Fingerspitzengefühl eine gute Komödie entstehen können. Ansätze gibt es viele. Der Text ist dramaturgisch klug gebaut. Die Umsetzung ist konsequent, die Überzeichnung und der Slapstick angemesssen. Heidi Jürgens hat als Bettina ihre starken Momente, aber vor allem Stefan „Manfred“ Schneider weiß mit seinen komödiantischen Qualitäten zu überzeugen. Er spielt souverän, auf den Punkt genau, hat eine gestische und mimische Exaktheit, die an die schauspielerische Perfektion eines Peter Alexander erinnert.
So bleibt zum Schluß ein unangenehmer Nachgeschmack. Der Autor kann schreiben, der Regisseur inszenieren, die Darsteller schauspielern (die Bewertung von Karin Hölschers Schwiegermutter möchte ich mit einem gnädigen „in der 75. Minute eingewechselt – nicht mehr zu benoten“ umgehen) – und trotzdem ist insgesamt nur eine halbgare Komödie dabei herausgekommen. Ärgerlich. Tim Ingold
bis 31.8. tägl. außer montags um 20.30 Uhr im Packhaustheater
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