Noch mehr Release-Parties: Big in Berlin
■ Hot dogs essen mit den Sternen im Maria
„Wir sind big in Berlin tonight“, heißt es in einem Song auf dem neuen Album der Hamburger Band Die Sterne. Das klingt nicht nur gut, sondern hat bei den Sternen natürlich was zu bedeuten, wie auch das wie üblich sehr üppig ausstaffierte Info zu „Wo ist hier?“ weiß: Hörbar sei „Big in Berlin“ als „Kritik an oder Hohngelächter zu Berlin-Pathos und Hauptstadtpropaganda“ , und die „wie ein alter Blues klingenden Gitarren“ des Stückes würden „den ganzen Spuk dieser Berlin-Sache gegenwärtigen“.
In den Niederungen von Musikbusiness und Konzertleben läßt sich diese Zeile aber einfach eins zu eins lesen und bewahrheitet sich ganz profan: Die Sterne sind groß in Berlin. Das bewies die eigenartige Record-Release-Party, die die Band am Montag im Maria am Ostbahnhof feierte, an einem Ort, der gemeinhin als einer der angesagtesten in der Stadt gilt und von dem sogar eine Freundin von mir, die wegen familiärem Zuwachs „in den letzten elf Monaten nur zweimal aus war“, schon gehört hat.
Ganz affirmativ „denen ihr Spiel spielen“ und trotzdem down to earth bleiben ist allerdings so eine Sache. Denn die Party soll für die Freunde und die sogenannten Medienpartner (auch Freunde) genauso wie für die Fans sein. Und so müssen die einen am Eingang links ihre fünfzehn Mark bezahlen, während die geladenen Gäste rechterhand durchgeschleust werden und Getränkebons sowie ein weißes Bändchen für den „V.I.P.-Bereich“ in Empfang nehmen dürfen. Das mutet merkwürdig indifferent an und hat ein bißchen was von einer Zweiklassengesellschaft: In den zweiten Stock des Maria geht's nur mit Bändchen, hier gibt's umwerfende Hot dogs, Brezeln, warmes Bier und Gespräche über das neue Album von Tocotronic und das Für und Wider solcher Veranstaltungen.
Und unten darf man sich auf andere Weise fit machen für den ersten der zwei Sterne-Gigs (einen für die Fans, einen für die „V.I.P.s“?): Beck's-Bier für fünf Mark trinken, Hans Mayers „Georg Büchner und seine Zeit“ lesen, wie das eine Frau auf der Treppe sitzend seelenruhig tut, oder sich schon mal ein Plätzchen im später dann überfüllten Konzertsaal sichern. Die Sterne machen einen einigermaßen müden Eindruck, spielen alte und neue Songs in einem „unterirdischen Sound“, wie das „oben“ jemand entsetzt konstatiert, und machen auf meinen Cousin Daniel den Eindruck, als wüßten sie noch immer nicht, „ob sie nun auf ewig eine Schülerband oder richtig professionell sein wollen“. Was den Abend gut auf den Punkt bringt, durchaus aber eine kleine Portion Restcharme hat: Es schützt das Publikum davor, in Ohnmacht zu fallen. So was „tue ich nur bei Blumfeld“, erzählt eine Bekannte ironiefrei und mit heißen Ohren.
Daß die Sterne allerdings noch mehr tun müssen, weiß ein Kollege, der am Montag im Mediamarkt war: Dort brachte nur die Musik von Jennifer Lopez die Kassen in Wallung, nicht das frisch ausgelieferte Sterne-Album. Irgendwann hat dieser Berliner Sterne-Spuk dann aber auch sein Ende. Es bleibt die Erkenntnis, daß „Wo ist hier?“ zu Hause viel schöner klingt als draußen. Und, denkt man an das Major-Firmen-Schicksal der Lassie Singers, die beruhigende Gewißheit: Sony, die tun was!
Gerrit Bartels
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