piwik no script img

PorträtKampf dem Schmerz

■  Schwimmerin Peggy Büchse erleidet Höllenqualen, Siege und „gute Gefühle“

Entwarnung wurde Anfang der Woche gegeben. Erleichtert teilte das zuständige Gesundheitsamt mit, daß das Baden im Bodensee wieder völlig unbedenklich sei; eine vermutete erhöhte Belastung durch Salmonellen und Kolibakterien konnte jedenfalls nicht festgestellt werden. Peggy Büchse hat sich über die gute Nachricht gefreut, all zu gemütlich wird das Bad in den Fluten vor Lindau für sie dennoch nicht werden: Knapp 18 Grad zeigt das Thermometer derzeit. „Ein sonderlich großer Spaß wird das nicht“, sagt Büchse (26), abhalten vom Start bei den Internationalen Deutschen Meisterschaften im Langstreckenschwimmen wird sie sich davon aber nicht lassen.

Am Samstag geht es im Strandbad Eichwald in rund fünfeinhalb Stunden um den Titel über 25 Kilometer, am Sonntag hat die Kraulerei bereits nach 5 km ein Ende, über beide Distanzen gilt sie als Favoritin.

Büchse ist Widrigkeiten bei der Ausübung ihres Sports gewohnt. Mal ist es der Schmutz der Flüsse, mal das Salz der Meere, dann wieder sorgt die brennende Begegnung mit Feuerquallen für Ungemach. Am schlimmsten aber sind die Schmerzen, die Schultern und Arme befallen irgendwann während des Rennens, garantiert, ganz egal, ob es noch zwei oder drei oder vier Stunden sind bis ins herbeigesehnte Ziel. „Die bleiben dann bis zum Schluß“, sagt Büchse. Und sind doch ein Grund dafür, warum sie sich die Schinderei zu Wasser überhaupt antut. „Es geht darum, diesen Schmerz wegzustecken“, sagt sie. „Sieg gegen sich selbst“ nennt sie das und erzählt davon, welch „unheimlich gutes Gefühl“ ein solcher Sieg mit sich bringe. „Andere“, ist Büchse sicher, „können das in ihrem Sport nicht erleben.“

Dabei ist es keineswegs so, daß sie nur Triumphe gegen den inneren Schweinehund feiert. Europameisterin über 25 und 5 km war Büchse 1995, Vizeweltmeisterin (25 km) und WM-Dritte (5 km) vergangenes Jahr in Perth. In diesem Februar sorgte sie bei den Weltcup-Rennen in den Flüssen Brasiliens und Argentiniens für Furore. Dort ist das Schwimmen langer Strecken mächtig populär – und die blonde Büchse eine Art Volksheldin. Alle vier Rennen – die Distanzen lagen zwischen 25 und 88 km – gewann sie,der Sieg im Gesamtweltcup ist ihr kaum noch zu nehmen.

Sonderlich üppig entlohnt werden solche Erfolge nicht. „Das Preisgeld ist ein Taschengeld“, sagt Büchse, ganze 12.000 Dollar kassiert beispielsweise, wer den Gesamtweltcup für sich entscheidet. Auch die Unterstützung durch den Deutschen Schwimmverband hält sich in Grenzen, Langstreckenschwimmen ist (noch) nicht olympisch.

Dabei hat sie es noch einigermaßen gut. Büchse, Studentin, kommt aus Rostock, startet für den dortigen PSV und gilt regional als bekannte Größe, mit der es sich zu werben lohnt. Sie sieht ja gut aus, kann auch kluge Sätze sagen und ist mit dem Triathleten Thomas Hellriegel liiert. Das kommt an, nicht nur bei den vier Sponsoren. All zu wichtig sind Büchse solch pekuniäre Dinge nicht. „Ich bin ein ideeller Mensch“, sagt sie, „sonst würde ich diese Sportart nicht betreiben.“

Zweimal täglich trainiert sie im Becken der heimischen Neptunhalle, acht bis zwölf Kilometer legt sie dabei zurück, auf zwischen 2.000 und 2.500 km summiert sich das per anno. „Die Intensität hat sich von Jahr zu Jahr gesteigert“, sagt sie. Büchse hat mit elf Jahren mit dem Leistungsschwimmen begonnen und war mehrfache DDR-Kurzbahnmeisterin.

Als sie 1993 mit dem Langstreckenschwimmen begann, gab es die Disziplin für Frauen in Deutschland ja noch gar nicht: „Ich war die einzige“. Heute ist das anders, aber sie ist immer noch die Beste. Und hatden Verdacht, „daß ich solche Erfolge im Becken kaum haben würde. Ich bin halt keine Sprinterin“. Auch deswegen ist sie geblieben, bereut hat sie es nicht. Außer kurz mal, wenn das Wasser wieder ganz besonders kalt war. Frank Ketterer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen