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■ KommentarMachtblock  Serbien: Was wird, wenn Seselj in die Regierung zurückkehrt?

Wer mit wem gegen wen? Die Antwort auf diese Frage wird die Zukunft Serbiens und Jugoslawiens bestimmen. Doch die Zukunft eines Landes, in dem fast wöchentlich Koalitionen gegründet werden, um dann auseinanderzufallen, in dem man oft die Opposition nicht vom Regime unterscheiden kann, in einer Föderation, deren eine Teilrepublik die Bundesregierung nicht anerkennt und vice versa, sind Prognosen ein undankbares Geschäft.

Miloševic' Machtsystem ist nach dem Bombardement der Nato angeschlagen – auf Landes- und Bundesebene. Eine Umstrukturierung ist unentbehrlich. Während des Krieges wurde der jugoslawische Vizepremier Draškovic wegen zu offener Kritik gefeuert, Minister seiner SPO verließen die Bundesregierung. Nach dem Krieg traten die Mitglieder von Šešeljs ultranationalistischer „Radikaler Partei“ SRS (die sich seltsamerweise fortwährend als Oppositionspartei bezeichnet) aus der serbischen Regierung zurück. Aus Protest, wie sie verkündeten, weil Miloševic die „Okkupation“ des Kosovo zugelassen hätte.

Normalerweise könnte man davon ausgehen, daß Draškovic' und Šešeljs Parteien nach ihren so pompösen Austrittserklärungen auf die Seite der Opposition überlaufen sollten. Wäre das der Fall, könnten sie in allen staatlichen Institutionen ohne viel Aufwand die regierende Koalition zwischen den Miloševic-Sozialisten und der von Miloševic' Gemahlin Mira Markovic geführten JUL stürzen. Aber das wäre für serbische Verhältnisse viel zu einfach. So werden Šešeljs Radikale wohl in die Regierung zurückkehren – und „im Interesse Serbiens“ ihre bombastischen Verkündigungen über „Verrat, Okkupation“ und so weiter erst mal vergessen, um den vom Feind und der fünften Kolonne gefährdeten Staat in schicksalsschwerer Stunde zu schützen.

In Aussicht steht damit ein hartes, geschlossenes Machtsystem, eine Koalition von Miloševic, Markovic und Šešelj auf Landes- und Bundesebene. Dieser Machtblock wird in der Lage sein, sich der unorganisierten, zerstrittenen Opposition zu widersetzen, zu der sich mit Draškovic ein zwar schlagkräftiger, doch auch höchst unzuverlässiger Bündnisgefährte gesellt hat. So schwierig Prognosen derzeit sein mögen – gewiß ist, daß die prowestliche montenegrinische Regierung damit noch stärker unter Druck aus Belgrad geraten wird. Andrej Ivanji

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