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Es bleibt bei sieben Siegen

■  Nach ihrer Finalniederlage gegen Lindsay Davenport verabschiedet sich Stefanie Graf als Tennispielerin von Wimbledon – obwohl sie dem Angriff des Nachwuchses noch standhielt

London (dpa/taz) – Sie kannte das Gefühl. Sieben Mal hatte sie hier gewonnen. Diesmal sollte es nicht sein. Gefaßt nahm sie den kleinen Salatteller und die tröstenden Worte der Herzogin von Kent für die Verliererin entgegen. Stefanie Graf hatte ganz unspektakulär mit 4:6, 5:7 gegen Lindsay Davenport ihr neuntes Wimbledon-Finale verloren. Es soll ihr letztes bleiben: „Ich werde hierher nicht mehr als Spielerin zurückkehren“, sagte Graf. Über ein Ende ihrer Profilaufbahn habe sie aber „noch nicht nachgedacht“.

In einem eintönigen Match, das einmal vom Regen unterbrochen wurde, reichte Davenport gestern nachmittag in jedem Satz ein einziger verwandelter Breakball. Graf selbst hatte ebenfalls zwei Chancen, ihrer Gegnerin den Aufschlag abzunehmen, konnte aber keine verwerten.

Schon im Halbfinale gegen die Kroatin Mirjana Lucic hatte Graf nicht zu der Form gefunden, die sie bei ihrem grandiosen Viertelfinalerfolg gegen Venus Williams demonstriert hatte. „Sie hat munter draufgehauen, und ich habe katastrophal aufgeschlagen“, stellte Graf nach dem durchaus glücklichen Erfolg erleichtert fest. Immerhin aber hatte sie beim Sieg gegen die 134. der Weltrangliste eine für sie nicht selbstverständliche Qualität entdeckt: „Ich bin nicht in Panik verfallen.“

Ob sie sich nach ihren Abschieden von Paris und Wimbledon bereits auf der allerletzten Farewell-Tournee ist, mochte sie gestern nicht sagen. Vielleicht weiß sie es auch nicht. Es wäre wahrscheinlich der beste Zeitpunkt. Denn auch wenn sie noch einmal das Finale erreichte: Lange wird sich der Nachwuchs nicht mehr in die Schranken weisen lassen. Die Halbfinalistinnen Lucic (17) und Alexandra Stevenson (18), Viertelfinalistin Jelena Dokic (16), aber natürlich vor allem Martina Hingis (18) und Venus Williams (19), deren Schwester Serena (17), vielleicht doch noch einmal auch Anna Kournikova (18) spielen mit hohem Risiko, setzen wie die Männer immer stärker auf den Aufschlag und haben mit einer allgemeinen Tempoverschärfung einen Quantensprung im Frauentennis eingeleitet.

Zu dieser Generation gehört, nachdem sie konsequenter zu trainieren begann, durchaus auch noch die Wimbledon-Siegerin Davenport (23). „Sie spielen aggressives Tennis, als hätten sie nichts zu verlieren“, hat auch die 30jährige Graf festgestellt, „sie nehmen ohne Angst jedes Risiko“.

Momentan kann eigentlich nur Graf die Zeit hin und wieder noch einmal zurückdrehen. Andere, wie Monica Seles oder Arantxa Sanchez-Vicario, scheinen endgültig über ihren Zenit.

Nach insgesamt 377 Wochen an der Spitze der Weltrangliste und 21,5 Millionen Dollar allein an Preisgeldern ist die von den Verschleißerscheinungen ihres Körpers geplagte Graf ein Auslaufmodell, und sie weiß das. Anders läßt sich ihr immer noch ungewohnt apathischer Umgang mit dem Mißerfolg, den sie auch gestern wieder demonstrierte, wohl kaum erklären. „Ich habe viel Spaß gehabt in den letzten Wochen, und das bedeutet mir sehr viel“, sagte sie. Und: „Was kann man mehr verlangen?“ Sie gab gar zu, sich inzwischen auch mal „ein paar Süßigkeiten und einen faulen Tag“ zu gönnen.

Passend zum amerikanischen Unabhängigkeitstag gab es bei den Männern zum fünften Mal ein rein amerikanisches Wimbledon-Finale. Gestern trafen (nach Redaktionsschluß dieser Ausgabe) Titelverteidiger Pete Sampras und Andre Agassi aufeinander. Unabhängig vom Ausgang des Endspiels wird Agassi am heutigen Montag seinen Finalgegner als Nummer eins der Weltrangliste ablösen. Vier Wochen nach seinem Erfolg bei den French Open konnte der vor anderthalb Jahren vorübergehend in der Versenkung verschwundene Agassi als erster Spieler seit dem Schweden Björn Borg 1980 das „Double“ mit dem Gewinn der Grand-Slam-Turniere in Paris und Wimbledon schaffen.

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