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Kanzler Schröder bietet der Ukraine Kohle an

■ Mit großer Riege besucht Schröder heute die Ukraine – dort will er Präsident Kutschma vorschlagen, mit den deutschen Krediten statt AKWs lieber Kohlekraftwerke auszubauen

Berlin (taz) – Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) will am heutigen Nachmittag mit dem ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma darüber diskutieren, wie der Tschernobyl-Reaktor durch nichtnukleare Alternativen ersetzt werden könnte. Da die Ukraine den Bau eines Gaskraftwerkes ablehnt, bleiben als weitere Varianten die Umrüstung von Kohlekraftwerken zu höherer Energieeffizienz, der Neubau von Kohlekraftwerken und Steigerungen der Energieeffizienz in anderen Bereichen. Das bisherige Randthema „Tschernobyl“, für das bei dem rund 20stündigen Besuch zunächst nur eine halbe Stunde eingeplant war, wird nun mehr Raum einnehmen, sagte gestern eine Sprecherin des Bundespresseamtes.

Als Ersatz für Tschernobyl standen bisher die Fertigstellung zweier Reaktorblöcke, Khmelnitzky 2 und Rivne 4 (K 2/R 4) zur Diskussion. Umweltschützer und Sicherheitsexperten hatten K 2/R 4 als unsicher, unnötig und zu teuer kritisiert. In den Debatten der vergangenen Wochen signalisierte Kutschma allerdings kein Interesse an Alternativen, sondern beharrte auf bisherigen Versprechungen der Industriestaaten für die Finanzierung von K 2/R 4. Der Bundestag hat sich im Juni mit den Stimmen von SPD und Grünen gegen westliche Kredite für Kernkraftwerke ausgesprochen.

In der Ukraine gibt es nach Informationen des ABB-Konzerns rund 100 Kohlekraftwerke. Die Modernisierung von 10 dieser Kraftwerke für rund zwei Milliarden Mark könnte, so die Grünen-Abgeordnete Michaele Hustedt, die bei der Schließung von Tschernobyl wegfallenden 2.000 Megawatt Energieleistung ersetzen. Außerdem könne durch die Verringerung der hohen Leitungsverluste Strom zur Verfügung gestellt werden, so Hustedt.

Begleitet wird Schröder von Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos), Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne), Verteidigungsminister Rudolf Scharping und Innenminister Otto Schily (beide SPD). Die von Schröder ausgeladene Abgeordnete Monika Griefahn (SPD) bemüht sich um einen eigenen Gesprächstermin in den nächsten zwei Wochen. Vom Wirtschaftsministerium eingeladen sind außerdem 30 Wirtschaftsvertreter, darunter Vorstandsmitglieder der Energiekonzerne Siemens und Asea Brown Boveri (ABB).

Thema Nummer eins der Wirtschaftsvertreter sind Investitionen im Energiebereich neben Investitionen in Landwirtschafts-, Bau und Textilsektor. Im Energiesektor ist Siemens seit Beginn dieses Jahres an der Umrüstung eines ukrainischen Kohlekraftwerkes beteiligt. Für die Fertigstellung von K 2/R 4 will Siemens die Sicherheitstechnik liefern und hat entsprechende Anträge auf staatliche Hermesbürgschaften gestellt.

Weitere Themen bei den Gesprächen zwischen der deutsche und ukrainischen Regierung sind aktuelle Fragen wie der Stabilitätspakt auf dem Balkan, die russisch-ukrainischen Beziehungen sowie Rüstungsfragen.

Maike Rademaker

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