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KommentarBlinde Flecke

■ Kritischer Dialog mit dem Islam ist gefragt

Die Ausländerbeauftragte Barbara John pflegt den Dialog auch mit umstrittenen islamischen Gruppierungen wie Milli Görüs. Das ist gut so. Denn eine Ausgrenzung führt allenfalls zur weiteren Abschottung von der deutschen Gesellschaft.

Als John vor kurzem bei einer Kosovo-Veranstaltung von Milli Görüs sprach, war sie keine bequeme Gastrednerin: Sie schlug den Bogen von den ethnischen Säuberungen auf dem Balkan zum Genozid an den Armeniern in der Türkei – für viele Türken ein Tabuthema.

Hochproblematisch ist allerdings, daß John die neue Broschüre über „Moscheen und islamisches Leben in Berlin“ ausgerechnet von einem bekannten Milli-Görüs-Mitglied sponsern ließ. Das untergräbt die Glaubwürdigkeit der Broschüre; abgesehen davon, daß Milli Görüs vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Pikant ist zudem, daß die Koautorin der Broschüre Gerdien Jonker ist: Die Religionswissenschaftlerin schrieb das Gutachten, mit dem die Islamische Föderation vor Gericht erstritt, Religionsunterricht an Schulen anbieten zu dürfen. Eine Beschwerde der Schulverwaltung gegen das Urteil ist noch anhängig.

Jonker setzt sich für eine „Normalisierung“ des Islam ein – ein berechtigtes Anliegen. Doch läßt die Broschüre völlig außen vor, daß einige islamische Gruppierungen unter dem Deckmantel der Religion politische Ziele verfolgen. So kämpft Milli Görüs für die Wiedereinführung des islamischen Rechts in der Türkei. Eine kritische Bewertung der Aktivitäten von Milli Görüs in Berlin fehlt in der Broschüre allerdings völlig. Auch bei anderen Gruppen bleibt es bei Beschreibungen. Vieles bleibt unbeantwortet: Welche Werte vermitteln ihre Korankurse, und wie sind die Freizeitangebote für Jugendliche einzuschätzen?

Über eine erste und streckenweise unkritische Bestandsaufnahme kommt die Broschüre nicht hinaus. Beklagt wird vielmehr, daß ein Klima des Mißtrauens gegen die Muslime herrsche. Der Vorwurf ist nicht ganz unberechtigt. Die islamischen Vereine, von denen sich manche nur ungern in die Karten schauen lassen, tragen aber ihren Teil dazu bei. Auch sie müssen sich einem kritischen Dialog stellen. Dorothee Winden

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