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Alter Gangster hilft seinem Fliege da unten

■ Der Bayerische Rundfunk muß sich weiter einen reuigen Fernsehpfarrer halten

München (taz) – Nehmen wir mal an, Gott spräche zu Dr. Gerhard Fuchs, dem Programmdirektor des Bayerischen Rundfunks. Gott spräche durch den Mund von Prälat Valentin Doering, dem katholischen Kirchenvertreter im Bayerischen Rundfunkrat.

Er würde Fuchs befehlen, die ARD abzureißen und an ihrer Stelle eine ganz neue zu erbauen, ohne jenes ketzerische evangelische Nachmittagsinsekt. Fuchs würde kurz in sich gehen, und dann würde er antworten: „Zuerst würde ich vorpreschen. Aber Struve, der alte Gangster da oben, würde mich wieder einfangen.“

Das Gespräch ist erfunden, und über die wahren Hintergründe herrscht Stillschweigen. Doch das Ergebnis ist Realität: Fliege macht weiter. Und der Bayerische Rundfunk geht laut Mitteilung der ARD-Programmdirektion unter Günter Struve eine Verpflichtung ein, die sein Programmdirektor Fuchs noch Tage zuvor abgelehnt hatte: „Der Bayerische Rundfunk wird die Sendung ,Fliege‘ auch im Jahr 2000 federführend für die ARD betreuen.“ Ein entsprechender Vertrag zwischen BR und Fliege-Produktionsfirma Teletime wurde bereits geschlossen.

Teil des ARD-Communiques mit dem beängstigenden Titel „Jürgen Fliege bleibt“ war auch eine Entschuldigung des in eigener Sache recht stillen Talk-Pastors. Er „bedauert zutiefst die durch seine Interviewaussagen entstandenen Irritationen und erklärt, sich künftig öffentlicher Aussagen zu enthalten, die dem Ansehen der ARD abträglich sein könnten.“ Will Fliege künftig also schweigend moderieren? Das nicht. Da sich aber „alle Beteiligten darüber einig“ sind, daß „zur Vermeidung künftiger Mißverständnisse die Presse-und Öffentlichkeitsarbeit enger koordiniert wird“, muß sich Fliege wohl jede seiner künftigen Äußerungen genehmigen lassen.

So kann Fuchs dem Prälaten Doering, der Flieges Gangstervergleich als „unter dem Aspekt menschlichen Anstands nicht mehr tragbar“ bezeichnet hatte, zumindest teilweisen Vollzug in dieser förderalen Posse melden. Ein unangenehmes Gespräch über das Wesen der Theologie mit seinem rheinischen Präses steht dem bis 2001 unentgeltlich beurlaubten Pfarrer auch noch ins Haus.

Aber Fliege bliebt. Er hat es mit seiner mäßigen Metapher derweil bereits auf den Schreibtisch von Harald Schmidt geschafft. Und seine Sendung kann, Fuchs sei Dank, nicht mehr still aus dem Programm genommen werden – dabei gäbe es genügend geschmackliche Gründe, sich von Jürgen Fliege zu trennen. Fliege bleibt. Wir müssen also auch weiterhin gut auf uns aufpassen. Stefan Kuzmany

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