: Grüne: 5-Prozent-Hürde streichen
■ Dringlichkeitsantrag: Kommunalwahlrecht soll vor der Bremerhaven-Wahl der neuen Rechtslage angepaßt werden
„Paragraf 7 Absatz 4, Paragraf 19 Absatz 1a, Paragraf 30 Absatz 2a und 3a, Paragraf 36a finden keine Anwendung“, so einfach könnte die Abschaffung der 5-Prozent-Hürde für die Bremerhavener Kommunalwahlen am 26. September im Landeswahlgesetz festgeschrieben werden. Die Grünen haben gestern diesen Antrag als „Dringlichkeitsantrag“ für die Sitzung der Bürgerschaft/Landtag am kommenden Dienstag angemeldet. „Die Abschaffung der 5-Prozent-Klausel ist eine alte grüne Forderung“, erklärte der Bremerhavener Abgeordnete Manfred Schramm dazu. „Es ist demokratischer, wenn alle Stimmen bei der Sitzverteilung in der Stadtverordnetenversammlung berücksichtigt werden.“
Die Grünen wollen damit die Konsequenzen aus dem Urteil des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtes vom 6. Juli schon für die Bremerhavener Wahlen ziehen (vgl. taz 13.7.). Der Rechtsexperte der Bremer SPD-Fraktion, Horst Isola, hatte eigentlich vorgehabt, das Verfassungs-Urteil aus Münster in aller Ruhe zu prüfen. „Vor dem Sommer passiert da nichts mehr“, meinte er noch am Dienstag gegenüber der taz. Auch der neue Fraktionsvorsitzende Jens Böhnsen, von Beruf Richter, hat das Urteil bisher nicht gelesen und will „gründlich prüfen“, ob das überhaupt für Bremen Relevanz hat.
Bei der CDU sieht es kaum anders aus. In der Bremer CDU-Fraktion heißt es nur, daß man überhaupt nichts sagen könne, bevor nicht die Fraktion am Freitag getagt hat. Der Bremerhavener CDU-Fraktionsvorsitzende Paul Boedeker findet, daß sich die 5-Prozent-Hürde „eigentlich bewährt“ hat. Die verfassungsrechtliche Argumentation der Richter aus Münster kennt er aber noch nicht. Der taktische Gedanke, daß die Bremerhavener CDU mit Hilfe einer AfB und einer FDP bei jeweils 4 Prozent in der Stadtverordnetenversammlung weiter regieren könnte, ist ihm „natürlich auch sofort gekommen“, sagt Bödeker, das könne aber nicht ausschlagebend sein.
Der rechtspolitische Sprecher der Bremer CDU-Fraktion, Dr. Frank Lutz, war vor wenigen Jahren Vorsitzender des Parlamentsausschusses zur Verfassungsreform. Dort, so gesteht er, war die Rechtslage zur 5-Prozent-Klausel im Kommunalwahlrecht nicht beraten worden. Das Argument der Münsteraner Verfassungsrichter aber leuchtet ihm ein: „Ich sehe nicht, was dagegen sprechen würde, diese Klausel kommunal aufzuheben.“ Auch bei den Bremer Beiräten hätte sich die Beteiligung von kleinen Initiativen bewährt.
Die Münsteraner Verfassungsrichter hatten darauf verwiesen, daß in Bundesländern wie Niedersachsen, Bayern, Sachsen oder Sachsen-Anhalt die 5-Prozent-Klausel nicht gelte. Wenn ein Landesgesetzgeber behaupte, die Sperrklausel müsse aufrechterhalten werden, dann müsse er sich mit deren Erfahrungen auseinandersetzen. Der Verweis auf den Reichstag in der Weimarer Republik reiche nicht mehr aus.
Wenn die Gesetzesänderung am kommenden Dienstag nicht in erster Lesung beschlossen wird – mit der zweiten und endgültigen Lesung könnte sich die Bürgerschaft bis zum September Zeit lassen – dann droht nach der Wahl am 26. September eine erfolgreiche Wahlanfechtung, mahnt Hermann Kuhn, der Rechtspolitiker der Grünen. Die Grünen halten es sich offen, notfalls den Staatsgerichtshof anzurufen. K.W.
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