Multitalentiert, irgendwie

Mit „I Got the Hook-Up“ versucht die Medienmaschine Master P, ihr 100-Millionen-Dollar-Imperium No Limit über den Großen Teich hinweg auszuweiten  ■   Von Thomas Winkler

„I Got the Hook-Up“ ist ein lausiges Filmchen, kaum mehr als eine unnötig aufgeblasene, weitgehend ereignislose Folge einer Sitcom. Aber es enthält alle gar nicht geheimen Zutaten, die Master P zum erfolgreichsten Entertainment-Anbieter dieses Planeten gemacht haben: Ghetto, Frauen, HipHop, Handys, Gangster und als Hauptdarsteller den Meister selbst. Mit diesem Gemisch hat P aus dem kleinen Plattenlabel No Limit in Richmond, Kalifornien, das Unternehmen No Limit geformt, das, von New Orleans aus operierend, im letzten Jahr ungefähr 100 Millionen Dollar umsetzte. Er ist 29 Jahre alt.

Der Chef hat fast überall höchstpersönlich die Finger drin: Er ist Rapper, Labelchef, Drehbuchautor, Filmproduzent, Schauspieler, Regisseur, und zuletzt wäre er beinahe noch Basketballprofi geworden. Weitere Geschäftsfelder von No Limit sind Sportmanagement, Telefonsex, Sportswear, Bücher, Fast food und Tankstellen. „Ich bin multitalentiert, irgendwie“, hat P kürzlich im Rolling Stone erklärt.

Wann der Mann schläft, wird wohl nie geklärt werden. Der Rest ist kein Geheimnis: In Calliope, einem der berüchtigsten Viertel von New Orleans, wurde er als Percy Miller geboren. Es folgten Scheidung der Eltern, toter Bruder, Drogen, Knast. Ein Lebenslauf wie ein klassischer HipHop-Song. So klischeehaft wie seine Biographie ist auch die Musik, mit der er zum Millionär wurde. Bei der Arbeit im Plattenladen stellte er fest, daß zwar die großen Plattenfirmen aus Angst vor der moral majority und schlechter Presse nichts mehr mit Gangsta Rap zu tun haben wollten, das Publikum aber großes Interesse daran hatte. Anfang der 90er begann er, selbst Rap zu produzieren. Er hatte bereits 1,5 Millionen Platten verkauft, als er zum ersten Mal in der bürgerlichen Presse erwähnt wurde. Keine zehn Jahre später ist er zum weltweit erfolgreichsten HipHop-Impresario aufgestiegen.

Seine kleinen Brüder Zyshonne und Corey engagierte P als Rapper Silkk the Shocker und C-Murder. Ein Cousin wurde als Mo B. Dick zum Hausproduzenten. So bleibt alles überschaubar. No Limit ist offiziell immer noch ein Independent-Label, auch wenn vom letzten Album vier Millionen Einheiten über den Ladentisch gingen und Master P auf der letzten Forbes-„Liste der bestverdienenden Musiker“ als Nummer zwei nach den Rolling Stones ermittelt wurde. Den Vertrieb regeln Verträge mit Major-Labels, die ihm alle Freiheiten und die Kontrolle über das Endprodukt gewähren. Und ihm bis zu unglaublichen 85 Prozent der Gewinne garantieren.

Solche Spannen sind möglich, weil bei No Limit schnell und billig produziert wird. Sehr beliebt sind Rip-offs aktueller Radiohits: Eine Single, die auf einem solchen Sample beruht, kann innerhalb von zwei Tagen auf dem Markt sein. Keine LP braucht länger als zwei Monate, das ist Labelphilosophie, und das hört man. Die Tracks sind ungehobelt und derb. Sie überrollen den Hörer wie der Panzer aus dem Signet von No Limit Records. Die Posse von Master P, No Limit Soldiers geheißen, posiert in Tarnanzügen und mischt schon mal die MTV-Awards-Verleihung auf. Die Plattencover sind die Karikatur der feuchten Träume eines B-Boys. Alles ist dick: Goldketten, Ringe, Mercedes-Limousinen, Zigarren, Ärsche, Titten. Nur die Handys sind flach.

Wie die Platten sind auch die Filme von No Limit. Im Mittelpunkt von „I Got the Hook-Up“ stehen die beiden hehlenden Brüder Black und Blue, die über ein paar Kartons mit Handys stolpern. Das löst eine mittelschwere Hysterie in der Hood aus, in deren Verlauf viel geflucht, viel geschwafelt und – weil sonst nichts passiert – halt noch mehr geflucht wird. „I Got the Hook-Up“ will eine Komödie sein, aber selbst das Zotenreißen geht nicht so recht von der Hand. Dafür gibt es reichlich Gastauftritte von Rapstars – natürlich vom eigenen Label.

Die fünf Millionen Dollar, die „I Got the Hook-Up“ gekostet hat, konnte No Limit komplett selbst aufbringen. Es ist genau wie bei den Platten: Die Filme sind so billig, daß sie sich einfach rentieren müssen. Wenn nicht im Kino, dann halt in der Videoauswertung. Die Werbung übernimmt die gute alte Tante Synergieeffekt. Der erste Film von No Limit, „I'm 'Bout It“, der grob auf dem Leben von Master P selbst basierte, wurde fast ausschließlich mit Flyern in der millionenfach verkauften Master-P-Platte „Ice Cream man“ beworben. Prompt stach er auf dem Videomarkt zeitweise „Jurassic Park“ aus.

Das Booklet zur CD „Who U Wit?“, ein Dokument der Liebe von Master P und der No Limit All Stars (!) zum Basketball, besteht zu zwei Dritteln aus Hochglanzwerbung für bereits lieferbare und in Planung befindliche Produkte, darunter der Soundtrack zu „I Got the Hook-Up“.

Der Kreislauf schließt sich. Hier geht es nicht um Kunst. Daraus macht niemand einen Hehl. Die Master-P-Action-Puppe ist bereits angekündigt. Für das amerikanische Magazin Vibe ist Master P weniger ein Rapper als der „Multimedia-Mogul für das nächste Millennium“. Er selbst sieht sich bereits als „international player“, auch wenn seine Produkte sich bisher fast ausschließlich in den USA verkaufen. Den Großteil der No-Limit-Machwerke kriegt man bei uns nur als Import. Erst die letzten Platten werden offiziell in Deutschland vertrieben.

Aber schon längst geht es nicht mehr nur um HipHop. Es geht um Diversifizierung. Inzwischen produziert No Limit auch Rhythm & Blues und Pop-Acts. Und: „Die Sache mit der Musik funktioniert vielleicht nicht ewig“, hat P erkannt. Also wird das Imperium auf noch breitere Füße gestellt und vom neu eingeweihten Konzernhauptquartier in New Orleans aus immer neue Geschäftszweige erschlossen. Der Chef konzentriert sich derweil aufs Geschäftliche: Auf einer Pressekonferenz verkündete er, fortan keine Soloplatten mehr zu machen. Dafür hat man sich mit Snoop Dogg den ersten großen Fremdeinkauf gegönnt.

Das Geschäft hält Master P nicht davon ab, einen Kindheitstraum zu leben. Anfang des Jahres versuchte er sich als Basketballprofi im Trainingscamp des NBA-Klubs Charlotte Hornets. Tatsächlich hätte es P, der schon in der High-School sehr erfolgreich spielte, bis er sich dann verletzte, beinahe geschafft. Erst wenige Tage vor Beginn der Saison wurde er aussortiert. Was sein Glück war. Wie hätte er wohl sonst alle Aktivitäten koordiniert bekommen? Anfang Juni unterschrieb er einen Einjahresvertrag als Wrestler. Im April war in den USA die Komödie „Foolish“ mit ihm in der Hauptrolle angelaufen, und er begann mit den Dreharbeiten zu dem von ihm geschriebenen Gefängnisdrama „Lock Down“. No Limit Filmworks bereitet gerade den Actionfilm „No Tomorrow“ mit Pam Grier vor und entwickelt die Hakker-Story „Takedown“ mit Skeet Ulrich und Tom Berenger. Jeweils für Hauptrollen vorgesehen: Master P.

„Mit geht es darum“, hat P einmal gesagt, „ein Vermächtnis zu hinterlassen.“ Dann sollten die kommenden Filme allerdings besser sein als „I Got the Hook-Up“. Andererseits: Master P mag es nicht in die NBA geschafft haben, aber seinen eigenen Sportschuh hat er schon.

“I Got the Hook-Up“. Regie: Michael Martin. Mit Master P, A. J. Johnson, Gretchen Palmer, John Witherspoon u. a. USA 1998, 87 Min.

Master P Presents: No Limit All Stars: „Who U Wit?“ (No Limit/Virgin)