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■ Zum Sprachenstreit in der Europäischen UnionMan spricht (kein) Deutsch

Michael Naumann hat fast völlig recht: Deutsch ist zwar keine europäische „Ursprache“, wie der Kulturbeaufragte der Bundesregierung am Wochenende in den „Tagesthemen“ meinte. Aber immerhin ist es neben dem Französischen dasjenige Idiom, das bei der Gründung des modernen, vereinten Europa benutzt wurde. Ebenfalls richtig ist, daß das Deutsche seit dem Beitritt Österreichs endgültig die am weitesten verbreitete Amtssprache der Europäischen Union ist. Und daß die Deutschsprachigen mit über 90 Millionen Mitgliedern die größte Sprachklasse der europäischen Schule bilden.

Völlig unrecht hat der Kulturbeauftragte dagegen mit seiner Schelte an die Adresse der EU-Präsidentschaft, die derzeit die finnische Regierung inne hat. Natürlich geht es bei Helsinkis „Nein“ zur deutschen Übersetzung aller EU-Treffen nicht darum, das Deutsche oder die Deutschsprachigen zu benachteiligen. Vielmehr ist der Gebrauch von zwei großen europäischen Sprachen – das sind Englisch und Französisch – bei den informellen Treffen der EU-Gremien eben einfach ausreichend.

Der finnische Ministerpräsident Paavo Lipponen hat das Problem aus gesamteuropäischer Sicht gut beschrieben: Heute werden in der offiziellen EU nicht zu wenige, sondern zu viele Sprachen benutzt. Das schafft nicht nur (Übersetzungs-)Kosten in beträchtlicher Höhe, sondern behindert auch den Umbau des derzeitigen Europas der Bürokraten in eine effektive europäische Verwaltung. Die würde allen Europäern nutzen – nicht nur deutschen Unternehmen, denen in Europa durch Nichtbenutzung ihrer Muttersprache bei überregionalen Ausschreibungen Nachteile entstehen könnten, wie etwa die Neue Ruhr Zeitung meint.

Helsinki hat für seine Ablehnung der deutsch-österreichischen Forderung im europäischen Sinne rationale und damit bessere Argumente. Wenn die finnische Regierung befürchtet, daß bei einer Zulassung von Deutsch als Arbeitssprache ähnliche Forderungen anderer EU-Staaten wie Spanien und Italien Tür und Tor geöffnet würden, dann ist das im Interesse aller BürgerInnen Europas. Naumanns – von Wiens Kulturbeauftragtem Peter Wittmann unterstützter – Boykott des informellen Treffens der EU-Kulturbeauftragten im finnischen Savonlinna beruht nicht auf solch rationalen Argumenten. Bleibt zu hoffen, daß beide nach dem Sommertheater ihren Platz bei den informellen Treffen der EU wieder einnehmen werden. Rüdiger Rossig

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