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■ Pampuchs TagebuchMamas neues Nudelholz

Warnung an alle: In ihrem Eifer, das Gemeinschaftsgefühl der AOL-Familie zu stärken, scheut sich der Welt größter Provider nicht, mit einem Betreuungsangebot aufzuwarten, von der die klassische Großfamilie nur träumen kann. Im Zentrum steht zeitgemäß nicht mehr eine Mama, die den Kochlöffel oder das Nudelholz schwingt, sondern ein Mail-Roboter namens automat@miraculix.cc.aol.de.

Die Namensgebung soll mit ihren Anspielungen an Asterix und Spaghetti-Fertiggericht wohl Nestwärme generieren. Miraculix zeichnet sich vor allem durch das aus, was in der Familienpsychologie „overprotection“ genannt wird und macht mir – in Kumpanei mit einer schlicht „Betreuung“ genannten, scheinbar humanen Hilfsorganisation – das Leben schwer. Angefangen hat es mit einer Mitteilung, die in ihrer vorgeblichen Fürsorglichkeit allein schon Böses ahnen ließ: „Sehr geehrtes Mitglied“, mailte Miraculix, „in Kürze wird die Gültigkeit der Kreditkarte, die Sie uns als Zahlungsweg angegeben haben, beendet sein. Bitte teilen Sie uns innerhalb der nächsten 10 Tage Ihre neue Kreditkartennummer mit. Sie können Ihre neuen Daten entweder unter Kennwort (Strg + K) ABRECHNUNG oder telefonisch mitteilen. Sie erreichen uns unter der Telefonnummer 0180 531 31 64...

Huch! Nun ja, eine brave Mama weiß über die Finanzverhältnisse des Filius ja auch oft besser Bescheid als der selber. Als ich mich geschwind einwähle, wird AOL-Mama schon etwas strenger: „Bei Lastschriftänderungen müssen wir Ihren AOL-Zugang umgehend auf Ihre monatlichen Freistunden begrenzen.“ Und fett: „Dies bedeutet, daß Sie AOL vorübergehend nicht über Ihre Freistunden hinaus nutzen können.“ Wieder einlenkend: „Möchten Sie jegliche Wartezeiten vermeiden, empfehlen wir Ihnen die Verwendung der Zahlungsart Kreditkarte.“

Noch mal davon gekommen. AOL weiß ja, daß ich diese Zahlungsart schon vor einem Jahr gewählt habe. Und meine neue Karte – mit der alten Nummer – gilt ab 8/99. Erleichtert drücke ich also „weiter“. Doch Mama ist schon wieder ungnädig: „Hier wird gearbeitet“, blafft sie mich an. Dann versöhnlicher: „Bitte wenden Sie sich an die AOL Mitgliederbetreung...“ Folgt die Telefonnummer mit dem hämischen Zusatz: „gebührenpflichtig“. Nun ist es so, daß ich in ein paar Tagen das europäische Festland für drei Wochen hinter mir lasse. Nicht auszudenken, wenn mir AOL dann in der Fremde den Hahn abdreht. Also wähle ich die AOL-Warteschleife, bekomme nach 2 Mark 40 auch eine echte Frauenstimme an die Strippe und teile – diesmal von Mensch zu Mensch – mit, daß die neue Karte ab 8/99 gültig ist. „Das akzeptiert der Computer jetzt noch nicht“, sagt die Frauenstimme. „Aber Sie haben mir doch gerade gemailt, daß ich Ihnen schleunigst die neuen Daten mitteilen soll.“ „ Ja, aber es geht jetzt noch nicht. Sie können ja in zehn Tagen wieder anrufen!“ „Aber ich sage es Ihnen doch, daß ich jetzt ...“ Schon sind wir im schönsten AOL-Familienkrach, den meine Betreuerin damit beendet, daß sie den Hörer aufknallt. Immerhin eine menschliche Reaktion.

Einen Tag später meldet sich Roboter Miraculix bei mir. „Sie haben sich mit einer Frage an die kaufmännische AOL-Mitgliederbetreuung gewandt, die Ihnen am 14. 7. beantwortet wurde. Unser Ziel ist es, die Qualität unserer Mitgliederbetreuung für Sie stetig zu verbessern. Deshalb sind wir an Ihrer Meinung interessiert. Kennwort: Meine Meinung zum Service.“ Saublöd, daß man beim Mailen keinen Hörer aufknallen kann. Doch Miraculix würde es eh nicht begreifen. Thomas Pampuch

ThoPampuch@aol.com

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