: „Eine Qual für Geist und Körper“
■ Mit der Ausbildung von Dolmetschern hinkt die EU hinterher – ein Problem, das die Osterweiterung noch verschärfen dürfte
Wenn Joseph Leroy darüber nachdenkt, daß mit der anstehenden Osterweiterung der Gemeinschaft in naher Zukunft im Parlamentsplenum und bei Gipfeln zwanzig Sprachen aktiv und passiv gedolmetscht werden müssen, wird er ganz mutlos. Schließlich ist der erfahrene Dolmetscher für die Schichtpläne seiner Mitarbeiter zuständig.
Schon jetzt werden Dänisch, Schwedisch und Griechisch mit Relais übersetzt. Da die Spezialisten für diese kleinen Sprachen rar sind, wird der Umweg über Englisch oder Französisch gewählt: Aus dem Dänischen ins Englische und dann weiter in die anderen Sprachen. Finnisch kann auf vielen Konferenzen überhaupt nicht angeboten werden, weil zu wenige Dolmetscher diese Sprache beherrschen.
Mit der Ausbildung entsprechender Experten hinkt die EU dem Bedarf hinterher. Pidgin-English, das schon heute in der Kommissionsarbeit und auf Arbeitsebene der Räte gang und gäbe ist, hält Leroy nicht für eine Alternative. „Manchmal müssen wir das übersetzen – eine Qual für Seele, Geist und Körper!“
Sicherlich führt das Relaissystem zu Zeitverzögerungen und gelegentlich zu Übersetzungsfehlern à la Stille Post. „Das kleinere Übel“, findet Leroy. „Jeder Politiker sollte die Chance haben, sich in seiner Muttersprache auszudrücken.“
Mißverständnisse bereichern den Anekdotenfundus eines jeden EU-Dolmetschers: „Shooting rapids“ zum Beispiel, ein Bild aus dem Wildwasser-Rafting, das große Geschwindigkeit ausdrücken soll. Der Hörfehler eines Dolmetschers ins Deutsche führte dazu, daß „Shooting rabbits“ übersetzt wurde – Kaninchen jagen. Ein deutscher Gesprächsteilnehmer wünschte daraufhin „Waidmanns Heil!“ – was bei den englischen Konferenzteilnehmern heftiges Grübeln auslöste.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen