: Marokko: Der König ist tot
■ Dutzende Präsidenten, Tausende Soldaten und Millionen Normalbürger trauern um Hassan II.
Berlin (taz) – Marokkos verstorbener Herrscher Hassan II. ist gestern im Beisein von Gästen aus aller Welt beigesetzt worden. Es war eine gigantische feierliche Zeremonie ganz in der Tradition des Königs, der den Großteil seiner 37jährigen Herrschaftszeit äußerst autoritär regiert hat. Tausende von Soldaten riegelten seit dem frühen Morgen den Begräbnisort und die wichtigsten Straßen der drei Kilometer langen Trauerprozessionsstrecke ab. Fast alle der 37.000 Polizisten des Landes waren in die Hauptstadt Rabat beordert. Etwa zwei Millionen Gäste und Schaulustige wurden zu der sechsstündigen Zeremonie erwartet. Alle Straßen nach Rabat waren verstopft, alle Hotels ausgebucht.
König Hassan II. war am Freitag gestorben, offiziell an einer Lungenentzündung. Sein Tod im Alter von 70 Jahren war möglicherweise vermeidbar. Inoffiziellen Quellen zufolge wurde er zu spät ins Krankenhaus gebracht und war bei der Ankunft schon klinisch tot. Nachfolger auf Marokkos Thron ist Hassans Sohn Sidi Mohammed, jetzt Mohammed VI. Um der Tradition des marokkanischen Hofes zu genügen, wonach Könige verheiratet sein sollten, ehelichte der 35jährige am Freitag abend noch schnell eine ungenannt gebliebene Person.
Zur Beerdigungszeremonie waren Dutzende von Staatsmännern aus aller Welt angereist, unter anderem Bundespräsident Johannes Rau, US-Präsident Bill Clinton, Israels Premierminister Ehud Barak, PLO-Führer Jassir Arafat, sogar Algeriens Präsident Abdelasis Bouteflika, nicht jedoch Syriens Präsident Hafis al-Assad. Marokkos Behörden haben 40 Tage Staatstrauer verhängt. Aber nicht alle Marokkaner trauern: Nadia Yassine, Führerin der größten islamistischen Vereinigung „Al Adl Wal Ihssane“ (Gerechtigkeit und Geistlichkeit) nannte den Königstod ein „politisches Nichtereignis“. Gegenüber AFP erklärte sie: „Das System stirbt nicht mit einem Menschen. Ein Mensch ist tot, aber das System ist nicht tot. Es wäre besser, wenn Hassan II. lebte und sein System stürbe.“ D. J. Tagesthema Seite 3
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