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Naumann will weg von „deutschen Traditionen“

■ Kulturarbeit in Osteuropa soll nicht länger vom Geist der Vertriebenen bestimmt werden

Berlin (taz) – Der Staatsminister für Kultur, Michael Naumann, will bei der Zusammenarbeit mit Osteuropa nicht länger auf die Pflege von deutschen Traditionen setzen. An deren Stelle müsse nun eine Kulturpolitik treten, die sich als Teil „des allgemeinen Kulturaustausches mit den östlichen Nachbarn“ verstehe.

Naumann stellte gestern in Berlin das Konzept zur Neuordnung der „Kulturförderung nach Paragraph 96 des Bundesvertriebenengesetzes“ vor. Das Gesetz war ursprünglich erlassen worden, um die Erinnerung an die Kultur der früher in Osteuropa lebenden Deutschen aufrechtzuerhalten. Da sich die politische Lage im Osten Europas nach der Wende grundlegend geändert hätte, sei es an der Zeit, eine Umverteilung von Aufgaben und Geldern vorzunehmen, so Naumann. Jetzt sei es geboten, sich der zeitgenössischen Kultur der Staaten Ost- und Südosteuropas zu öffnen.

Derzeit gibt die Bundesregierung rund 43 Millionen Mark für Kulturarbeit in Osteuropa aus.

Künftig will Naumann „Doppelarbeit, Redundanzen und Ineffektivitäten“ vermeiden. Die bestehende Vielfalt der Institutionen, so heißt es in dem Naumann-Papier, scheine mitunter „eher Ergebnis einer spontanen oder willensstarken Entscheidung gewesen zu sein denn das Produkt eines vernünftigen Planungsprozesses“.

Um den Wildwuchs zu beschneiden, sollen Institutionen teils geschlossen, teils zusammengelegt werden. So ist daran gedacht, das Oberschlesische Landesmuseum im rheinischen Ratingen-Hösel mit dem Schlesischen Museum in Görlitz zu vereinen. Ebenfalls zusammengehen sollen etwa das Donauschwäbische Zentralmuseum in Ulm sowie das Siebenbürgische Museum in Gundelsheim.

„Zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ auslaufen soll auch die institutionelle Förderung der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat und der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, die beide in Bonn angesiedelt sind. Deren Aufgaben wird nach Vorstellungen Naumanns eine noch zu gründende „Zentrale Kultureinrichtung“ übernehmen. Von dem Naumann-Papier betroffen sind auch literaturwissenschaftliche und historische Institute wie der Adalbert-Stifter-Verein und das Südostdeutsche Kulturwerk München, die in Zukunft als eine Organisation weiterbestehen sollen.

Die nordöstlichen Pendants wie das Nordostdeutsche Kulturwerk Lüneburg und der Verein Göttinger Arbeitskreis werden dagegen nicht mehr durch den Bund finanziert. Ihre Arbeit soll entweder die neue Zentrale Kultureinrichtung fortführen oder das Bundesinstitut für ostdeutsche Kultur und Geschichte übernehmen.

Nicht alle Leiter der betreffenden Forschungsinstitute reagierten prinzipiell ablehnend auf das Naumann-Papier. Während Alfred Eisfeld vom Göttinger Arbeitskreis die Pläne von Staatsminister Naumann kritisierte, fand Sabine Bamberger-Stemmann vom Nordostdeutschen Kulturwerk bei aller Skepsis auch positive Aspekte. So sei zu begrüßen, daß die Kulturarbeit in Osteuropa künftig auf Gegenseitigkeit basieren solle, anstatt die deutsche Perspektive einseitig zu tradieren: „Da waren aus Bonn in der Vergangenheit auch ganz andere Töne zu hören.“

Ulrich Clewing

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