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■ Überraschung: Nichts Neues bei New LabourEntblairt

Tony Blairs gestrige Kabinettsumbildung war ein Flop. Gemessen am Hype in den Wochen davor, hat sich dafür das Warten nicht gelohnt: Was als Großaufräumen angekündigt war, um dem etwas schläfrig gewordenen New-Labour-Kabinett wieder frischen Drall zu geben, entpuppte sich als völlige Nullnummer. Kein gewichtiger Minister wurde versetzt, kein politischer Neuanfang eingeleitet.

Im Herbst werde alles nachgeholt, versprechen die New-Labour-Auguren bereits jetzt und präsentieren jede Menge Ausflüchte. Man könne doch Nordirlandministerin Mo Mowlam nicht kippen, wo der von ihr betriebene Nordirland-Friedensprozeß in den Sand gesetzt worden ist – ein etwas seltsames Argument nach all den Wochen, in denen Mowlam eben deshalb gekippt werden sollte, weil ebendieser Prozeß in den Sand gesetzt wurde.

Die wahren Gründe für die Immobilität liegen anderswo. New Labour ist nach zwei Jahren Amtszeit verbraucht. Die Regierung Blair hat sich im tagespolitischen Geschäft abgenutzt. Beim Jahresparteitag im Herbst 1998 hatte der Premier versprochen, 1999 werde das year of delivery, das Jahr, in dem Labour seine Pläne verwirklicht. Aber wie der am Montag präsentierte Jahresbericht der Regierung schon bewies, ist Labour bei den zentralen Themen der Bildungs- und Gesundheitspolitik kaum weitergekommen. Und bei den verfassungspolitischen Reformen ist die britische Regierung auf halbem Wege steckengeblieben.

Die Gründe dafür sind für Blair ein Problem. Bildungs- und Gesundheitswesen sind vor allem öffentliche Dienstleistungen, Bastionen von Old Labour und für New-Labour-Modernisierer eine fremde Welt, mit der sie nichts anfangen können. Die politische Verfassung Großbritanniens schließlich eignet sich nicht für einsame Visionen; sie ist Produkt eines komplizierten Interessenausgleichs, und jede Veränderung zieht Folgen nach sich, die wiederum im Interessenausgleich gemeistert werden müssen. In all diesen Bereichen wäre jetzt Konsensfähigkeit gefragt – eine Fähigkeit, die Blair zwar hat, aber nicht gern hat. Deshalb konnte er jetzt eben nicht, wie vorher gestreut worden war, die Konsenspolitiker seines Kabinetts wie Mo Mowlam oder Gesundheitsminister Frank Dobson entfernen.

Indem Blair sich auf diese Weise ins Unvermeidliche fügt, entblößt er sich. Visionär ist da nichts mehr. Aber vielleicht ist das auch besser so.

Dominic Johnson

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