: Kommentar
Sind so schale Sitze – das letzte von Hertha BSE ■ Von Wiglaf Droste
Es gibt Herta Müller, Herta Däubler-Gmelin, und es gibt Hertha BSC. Die erste versucht zu schreiben, die zweite sitzt als Justizministerin auf einem ergonomischen grünen Gummiball, und bei der dritten handelt es sich um einen traditionell fiesen Sportverein, dessen Erste Fußballmannschaft ihre Heimspiele in einem alten Nazi-Stadion austrägt.
Die Fußball-Hertha produziert auch ohne Fußball heiße Luft. Vom „Krisengipfel“ ist die Rede, von „Skandal“ und „Blamage“, aber auch von „letzter Hoffnung“ und von „Rettung“. Was ist los? Geht die Welt unter, oder ist nur Gerhard Schröder in der Nähe?
Vorläufig geht es noch um dies: Dem von Speer gebauten und von Breker gestylten Olympiastadion fehlt nicht der überfällige Abriß – ihm fehlen Klappsitze. Sitzschalen, schale Sitze. So will es der Verband, die Uefa. „Fieberhaft“, so erfährt man rund um die Uhr, wird daran gearbeitet, daß 36.000 Berliner am 11. August ein Fußballspiel sehen dürfen! Es sind Meldungen wie bei Honecker: Werktätige, die sich zum Wohl der Massen schier zerreißen. Die kleine Weltstadt ist fast schon auf Weltniveau. Leid tun könnte es einem um die Fußballer, wenn es denn um sie ginge.
Trainer Jürgen Röber macht einen ganz Hertha-unspezifisch sympathischen, vernünftigen Eindruck, und seine Mannschaft ist in Teilen des Fußballspiels mächtig. Alles andere an Hertha aber ist Seuche, ist BSE: der Vorstand, die Geldgeber, die Vermarktung; der schreckliche Robert Schwan, der vor Hertha schon Franz Beckenbauer überlebensgroß aufblies; die schultheissgesichtigen Hertha-Anhänger und ihre Frank-Zander-Gesänge.
Und die – hartnäckig geleugneten – paartausend organisierten Nachwuchsnazis aus Berlin und Brandenburg, deren rechtearmheberisches „Sieg!“-Geröchel mit der Ästhetik des Olympiastadions nahtlos kompatibel ist. Hertha ist kein Spaß.
Und wird auch keiner mehr: Demnächst werden sich als zusätzliche Plagen Gerhard Schröder und ähnlich hoffnungslose Wichtigtueritis-Patienten dort herumdrücken, um der Welt weitere Medienereignisse zu schenken, die mindestens so unverzichtbar sind wie Sitzschalen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen